DAANES wirft Türkei weitere Kriegsverbrechen vor

Die nordostsyrische Autonomieverwaltung wirft der Türkei weitere Kriegsverbrechen vor. Die Ignoranz des Westens demgegenüber käme einer Handlungsfreiheit für Erdoğan gleich und spiele auch dem IS in die Hände.

Drohnenterror gegen Rojava

Die Demokratische Selbstverwaltung in der Region Nord- und Ostsyrien (DAANES) hat der Türkei weitere Kriegsverbrechen vorgeworfen. Die Autonomiebehörde bezog sich in ihrer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung auf mehrere Angriffe des türkischen Militärs, die am Mittwoch in Kobanê verübt wurden. Dabei seien ein ziviles Fahrzeug mit einer unbemannten Kampfdrohne bombardiert und ein Wohnhaus mit schweren Maschinengewehren unter Beschuss gesetzt worden. Das sei ein Bruch internationalen Rechts, erklärte die DAANES.

Neben der direkten Besatzung weiter Gebiete im nördlichen Syrien führt die Türkei in der Region seit Jahren einen Krieg niederer Intensität – Drohnen sind inzwischen das Mittel der Wahl. Dies sei Teil einer umfassenden Strategie des türkischen Staates, so die Selbstverwaltung, durch Zerstörung der Infrastruktur und Lebensgrundlagen der Bevölkerung die Selbstverwaltung und ihre Errungenschaften zu zerschlagen: „Die türkische Kriegsführung ist auf eine totale Destabilisierung unserer Regionen ausgelegt und spielt dem IS unmittelbar in die Hände. Wir verurteilen dieses Vorgehen auf das Schärfste.“

Der DAANES zufolge wirken sich die türkischen Angriffe negativ auf die Bemühungen der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) im Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) und ihr Zellennetzwerk aus und behindern die Bewachung der Haftzentren und Lager mit IS-Gefangenen. Diese Situation sei ein direktes Ergebnis der internationalen Untätigkeit und verstärke die permanente Missachtung des Völkerrechts. Erdoğan leite aus der Ignoranz des Westens eine unendliche Handlungsfreiheit für sein kriegerisches Vorgehen ab. Dieser Umstand begünstige das Wiedererstarken des IS und spiele auch anderen Akteuren, die eine Veränderung der politischen Geographie in der Region zum Ziel haben, in die Hände.

„Die aktuellen Entwicklungen – gerade im Hinblick auf den IS-Anschlag in einer Konzerthalle bei Moskau – sind äußerst bedenklich und unterstreichen die Notwendigkeit, den neuen Herausforderungen bei der Austrocknung der Quellen des Terrors mit einer ernsthaften internationalen Strategie der Zusammenarbeit mit der Selbstverwaltung zu begegnen“, forderte die DAANES. Sie rief alle Akteure, insbesondere die internationale Anti-IS-Koalition auf, sich der türkischen Aggression gegen Nord- und Ostsyrien „klar und deutlich“ entgegenzustellen. Die Türkei sei nun mal die „Hauptunterstützerin des IS“.

92 Drohnenangriffe seit Jahresbeginn

Der türkische Drohnenkrieg gegen Nord- und Ostsyrien begann im Juni 2020 mit der Ermordung von drei Vertreterinnen des Frauendachverbands Kongra Star in Kobanê. Seitdem kamen hunderte weitere Angriffe mit fliegenden Tötungsmaschinen hinzu. In diesem Jahr verübte die Türkei nach Angaben des Rojava Information Center (RIC) bereits 92 Drohnenangriffe, sieben davon richteten sich gegen Fahrzeuge. Dabei wurden mindestens 24 Menschen getötet und weitere 25 verletzt. Die Zahlen dürften höher sein, da das RIC nur bestätigte Fälle veröffentlicht. In der RIC-Bilanz für das vergangene Jahr sind 198 Drohnenangriffe aufgeführt. Bei diesen Angriffen wurden 105 Menschen getötet und 123 verletzt.