QSD entscheidend im Anti-IS-Kampf
Nach dem Sturz des Regimes von Baschar al-Assad ist US-Außenminister Antony Blinken in die Türkei gereist, um über das Vorgehen des NATO-Partners in Syrien zu sprechen, insbesondere im Hinblick auf kurdisch-dominierte Kräfte im Land. Bei einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Ankara habe Blinken am Freitagfrüh bekräftigt, „wie wichtig es ist, dass alle Akteure in Syrien die Menschenrechte respektieren, das humanitäre Völkerrecht achten und alle möglichen Schritte unternehmen, um die Zivilbevölkerung, einschließlich der Angehörigen von Minderheiten, zu schützen“, erklärte US-Außenministeriumssprecher Matthew Miller.
Die Türkei sieht in den Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ, die das Rückgrat der Demokratischen Kräften Syriens (QSD) bilden, einen Ableger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und stuft sie als „Terrororganisationen“ ein. Den Sturz Assads nutzt Ankara nun, um unter dem Deckmantel vermeintlicher Sicherheitsbedenken Angriffe gegen die nordostsyrische Autonomieregion zu stärken und die QSD – die wiederum von den USA als wichtige Akteure im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) unterstützt werden – weiter zurückzudrängen und die als „Sicherheitszone“ verbrämte Besatzungszone im Grenzstreifen auszuweiten – die die Türkei mit der von ihr aufgebauten und finanzierten Islamistentruppe „Syrische Nationalarmee“ (SNA) kontrolliert.
Blinken sprach laut Miller bei dem mehr als einstündigen Treffen mit Erdoğan und dessen Außenminister Hakan Fidan von der „Notwendigkeit, sicherzustellen, dass die Koalition zur Bekämpfung des IS weiterhin ihre wichtige Aufgabe erfüllen kann“. Bei einem Stopp in Jordanien vor seiner Abreise in die Türkei räumte Blinken allerdings ein „echtes und klares Interesse“ der Türkei hinsichtlich der PKK ein. „Gleichzeitig wollen wir vermeiden, zusätzliche Konflikte in Syrien auszulösen, während wir den Übergang zu einer Übergangsregierung und damit einen besseren Weg für Syrien sehen wollen“, fuhr er fort.
„Dazu gehört auch, sicherzustellen, dass der IS nicht wieder auftaucht. Und entscheidend dafür, dass das nicht passiert, sind die Demokratischen Kräfte Syriens, die wir unterstützen“, sagte Blinken weiter. Sie hätten entscheidend dazu beigetragen, den IS „in Schach zu halten“ und bewachten Haftanstalten, in denen Tausende ausländische IS-Terroristen inhaftiert sind. „Das ist eine wichtige Aufgabe, und wir müssen sehen, dass sie auch in Zukunft weitergeführt wird“, so Blinken. Im Laufe des Tages steht ein weiteres Treffen des US-Außenministers mit seinem türkischen Amtskollegen Fidan und Staatschef Erdoğan an.
Sturz des syrischen Regimes
Die von den Vereinten Nationen (UN), den USA, der EU und Großbritannien als Terrororganisation eingestufte Hayat Tahrir al-Sham (HTS) und mit ihr verbündete Milizen hatten nach ihrer am 27. November begonnenen Großoffensive am Sonntag die syrische Hauptstadt Damaskus eingenommen und den seit Jahrzehnten herrschenden Machthaber Baschar al-Assad gestürzt. Dieser floh nach Russland. Seither hat eine von Islamisten angeführte Übergangsregierung die Macht in Damaskus übernommen. Die Türkei nutzte die Gelegenheit, parallel zur HTS-Offensive einen neuerlichen Feldzug gegen Rojava zu starten und Tel Rifat sowie Minbic zu besetzen. Beide Städte waren seit 2022 immer wieder von Erdoğan als Hauptziele für die nächste Invasion der Türkei in Nord- und Ostsyrien benannt worden.