Auf Initiative von Senatorin Laurence Cohen (Kommunistische Partei Frankreichs) haben 102 französische Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen einen Appell veröffentlicht, in dem sie vor dem Präsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, und einer Militäroperation in Nordsyrien warnen:
„In der Ukraine verübt Wladimir Putins Russland Kriegsverbrechen, und Recep Tayyip Erdogan plant im Schatten der weltweiten Aufregung eine weitere blutige Offensive gegen die Kurden im Norden Syriens. Heute nutzt er seinen Status als Dreh- und Angelpunkt der NATO im Ukraine-Konflikt, um sich den Blankoscheck des Atlantischen Bündnisses zu sichern, um seine Angriffe in Nordsyrien zu intensivieren. In den von der Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyrien (AANES) kontrollierten Gebieten leben trotz der schrecklichen Kriegsbedingungen kurdische, arabische, assyro-chaldäische, armenische und alle anderen ethnischen Gruppen zusammen und versuchen, sich in einem demokratischen, feministischen und ökologischen System zu organisieren. Sie kämpfen für die Schaffung von Frieden in einem ständigen Dialog mit der Bevölkerung.“
Die Abgeordneten erinnern an die Besetzung von Girê Spî und Serêkaniyê im Oktober 2019 und fordern: „Bereits 2019 startete Erdogan eine Offensive, die mit unzähligen zivilen Opfern, Zerstörungen und barbarischen Akten einherging und auf die Destabilisierung des sozialen und politischen Gefüges abzielte. Angesichts der von der türkischen Armee begangenen Übergriffe dürfen die westlichen Länder nicht länger wegschauen.“
„Die türkische Invasion bedroht auch Europa“
Der Kampf der PKK-Guerilla und der YPG/YPJ gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) sei international gewürdigt worden und dürfe nicht vergessen werden. In dem Appell heißt es weiter: „Diese Situation geht uns alle an, nicht nur einige wenige, und wir dürfen nicht zulassen, dass Erdogans Armee unsere kurdischen Verbündeten erneut angreift. Wir dürfen nicht vergessen, dass Tausende von Mitgliedern dschihadistischer Banden in den von der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien kontrollierten Gebieten festgenommen wurden. Wenn wir Erdogan grünes Licht für eine neue Invasionsoperation in Nordsyrien geben, würde dies die Region destabilisieren und eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit Europas darstellen.“
In der Erklärung wird auch die Notwendigkeit betont, die Sicherheit kurdischer Aktivist:innen und Einrichtungen auf europäischem Boden zu gewährleisten: „Wir, Abgeordnete verschiedener politischer Richtungen in Frankreich, verurteilen Erdogans Kriegspolitik und fordern die europäischen Staats- und Regierungschefs auf, sich nicht von ihm einschüchtern zu lassen."
Die EU und Frankreich werden in dem Appell aufgefordert, im UN-Sicherheitsrat das notwendigen Verfahren einzuleiten, um den Norden Syriens zur Flugverbotszone zu erklären und die Kurdinnen und Kurden in Syrien unter internationalen Schutz zu stellen. Zudem verlangen die 102 französischen Abgeordneten, dass der Status der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien von den internationalen Behörden anerkannt wird, um eine dauerhafte Lösung in der Region zu erreichen.