„Die Polizei führt einen Rachefeldzug gegen uns“ – zu diesem Ergebnis kommt Esmaeil Fattahi, einer von vier iranischen Schutzsuchenden in der Türkei, die aufgrund ihres politischen Engagements im Fokus der türkischen Repressionsbehörden liegen. Nachdem die Gruppe Anfang April im westanatolischen Denizli wegen der Teilnahme an einer Kundgebung für den Erhalt des Frauenschutzabkommens „Istanbul-Konvention“ festgenommen worden war und in der Folge in Abschiebehaft kam – in zwei Fällen in Zellen mit IS-Dschihadisten, wird sie nun auseinandergerissen. Esmaeil Fattahi wurde von der Direktion für Migration in Aydın in das 230 Kilometer entfernte Afyonkarahisar verwiesen. Leili Faraji ist sogar nach Sivas (ku. Sêwas) verbannt worden, die Stadt liegt gut 900 Kilometer nordöstlich von Denizli. Zeinab Sahafi soll nach Samsun an die Schwarzmeerküste. Der vierte aus der Gruppe, Mohammad Pourakbari Kermani, darf in Denizli bleiben. Er hatte nicht an der Kundgebung teilgenommen, war aber trotzdem festgenommen worden.
„Wir werden dafür bestraft, weil wir die Istanbul-Konvention verteidigt und unsere Meinung geäußert haben. Sie wollen, dass niemand seine Stimme erhebt. Sie wollen, dass alle Angst haben“, sagte Fattahi gegenüber der Zeitung Evrensel. Laut den Behörden sei es „nicht richtig“, dass sich die Gruppe in ein und derselben Stadt aufhält. Das sei ihnen bei der Direktion für Migration Aydın gesagt worden. „Ich bin in Iran gefoltert worden, dennoch habe ich nicht geschwiegen. Die hiesigen Behörden wollen uns einschüchtern, da machen wir aber nicht mit“, so Fattahi. Die drei haben fünfzehn Tage Zeit, sich in ihren neuen Gemeinden zu melden.
Klage gegen Abschiebung anhängig
Die Klage der vier gegen die Abschiebeanordnung der türkischen Behörden nach Iran ist derweil weiter anhängig, ebenso sind Anträge beim Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) über die Überführung in ein Drittland noch nicht entschieden worden. Hinzu kommen gerichtliche Meldeauflagen, die der Gruppe im Mai im Gegenzug zur Entlassung aus der Abschiebehaft aufgebrummt worden waren. „Das, was uns hier gerade widerfährt, ist psychischer Druck, um es gelinde auszudrücken“, sagt Fattahi. „Wir werden von allen Seiten in die Mangel genommen. Trotzdem werden wir uns weiterhin die Rechte der Frauen verteidigen und für die Freiheit kämpfen. Wir werden uns dieser Unterdrückung nicht beugen.”
Allen vier Schutzsuchenden droht in Iran lange Haft
Esmaeil Fattahi, Leili Faraji, Zeinab Sahafi und Mohammad Pourakbari Kermani werden in ihrem Heimatland verfolgt, ihnen drohen drakonische Haftstrafen und Folter. Leili Faraji aus der ostkurdischen Stadt Serpêllî Zehaw (Sarpol-e Sahab) in der Provinz Kirmaşan beispielsweise ist den iranischen Sicherheitsbehörden ein besonderes Dorn im Auge. Ihre Schwester Maryam Faraji hatte sich Ende 2017 an den Studierenden-Protesten in Teheran beteiligt. In der Folge wurde sie festgenommen und zu drei Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis ist Faraji gefoltert worden. Gegen Meldeauflagen und ein zweijähriges Ausreiseverbot kam sie frei. Im Juli 2018 meldete sie sich gemäß der richterlichen Anordnung bei der Teheraner Polizei. Wenige Tage später tauchte ihre gefolterte und verbrannte Leiche in einem Straßengraben in der iranischen Hauptstadt auf. Leili Faraji hat lange um Gerechtigkeit für ihre Schwester und die Aufklärung der Tat gekämpft. Als sie dem Druck der Behörden nicht mehr stand hielt, flüchtete sie in die Türkei.
Zeinab Sahafi als Mann verkleidet im Fußballstadion
Auch Zeinab Sahafi saß bereits in einem iranischen Gefängnis. Sie hatte sich immer wieder in Männerkleidung in Stadien geschlichen, um ihrer Leidenschaft für den Fußball nachzugehen. Sie wurde erwischt und wegen „Verletzung der moralischen Ordnung“ verhaftet. In Iran war Frauen der Besuch von Fußballspielen im Stadion vierzig Jahre lang untersagt. Erst als eine Iranerin sich im September 2019 vor dem Gebäude des Islamischen Revolutionsgerichts in Teheran mit Benzin übergossen und angezündet hatte, wurde das Verbot aufgehoben. Der 29-Jährigen hatte eine Gefängnisstrafe gedroht, weil sie sich als Mann verkleidet in ein Fußballstadion geschlichen hatte. Sie war später an den Folgen ihrer Verbrennungen gestorben.