Pionier der kurdischen Diaspora
In München haben am Sonntag hunderte Menschen Abschied von Ali Bingöl genommen, der in der kurdischen Gemeinschaft unter dem Namen Aliyê Xinzorê bekannt war. Der engagierte Aktivist, Poet und Mitbegründer des ersten kurdischen Vereins in der bayerischen Landeshauptstadt verstarb am 30. April im Alter von knapp 80 Jahren.
Seine Beisetzung fand vor rund einer Woche in Xinzora Jor, einem Dorf in Gimgim (tr. Varto) in der nordkurdischen Provinz Mûş, statt. In München wurde ihm zu Ehren eine öffentliche Trauerfeier organisiert, die über tausend Trauergäste besuchten. Familie, Freund:innen und Weggefährt:innen gedachten gemeinsam einem Menschen, der sein Leben der kurdischen Sache, der Gemeinschaft und der kulturellen Identität gewidmet hatte.
Ali Bingöl kam 1970 nach Deutschland und ließ sich zwei Jahre später in München nieder. Im April 1972 gründete er dort mit drei Freunden den ersten kurdischen Verein der Stadt und übernahm dessen Leitung. Seine Wohnung galt über Jahrzehnte hinweg als offenes Haus – ob als Treffpunkt für politisch Engagierte, als Ort des Gebets oder als Schutzraum für Geflüchtete.
In der Trauerrede betonte sein Schwiegersohn Şerafettin Bingöl: „Sein Zuhause war wie ein Verein, eine Moschee, ein Cem-Haus – offen für alle, hilfsbereit für jeden. Das war sein Verständnis von Leben und Verantwortung.“
Gemeinsam mit Azad Bingöl trug er bei der Trauerfeier auch einige Gedichte des Verstorbenen vor. Viele seiner Werke, darunter auch unveröffentlichte Texte, zeugen von einem kritischen, suchenden Geist, der Zeit seines Lebens politische und gesellschaftliche Fragen mit Tiefgang verarbeitete.
Poet, Denker, Wegbereiter
Ali Bingöl verstand sich als intellektueller Patriot der ersten Migrant:innengeneration. In seiner politischen Arbeit verband er die Sehnsucht nach Freiheit mit einem modernen, dialogorientierten Zugang zu gesellschaftlichen Konflikten. Seine Weggefährt:innen beschreiben ihn als einen neugierigen, unbequemen und zugleich tief mitfühlenden Menschen, der sich nie mit einfachen Antworten zufriedengab. Noch bis zu seinem Tod blieb er aktiv, nahm an Veranstaltungen teil und schrieb regelmäßig über Fragen von Exil, Identität und Gerechtigkeit. Viele Menschen, die sich in München von ihm verabschiedeten, trugen seine Worte und seinen Wunsch nach einem freien, solidarischen Leben weiter.