Das Jahr 2020 begann bereits mit heftigen Angriffen der türkischen Armee und Angriffen der Guerilla. Die Aktion von Sema Koçer, bei der am 31. März mindesten 30 Soldaten der türkischen Armee getötet und eine strategisch wichtige Pipeline bei Agirî (Ağrı) beschädigt wurden, stellte eine der aufsehenerregendsten Aktionen der Guerilla in diesem Jahr dar. Die Guerillakommandant*innen Rêzan Amed und Laleşin Cudi haben sich zur Bedeutung dieser „Fedai-Aktion“ geäußert, bei der sich Sema Koçer selbst opferte.
Rêzan Amed betrachtet die Aktion im historischen Kontext. Er erklärt, dass 2016 mit dem Angriff auf die Ertuş-Festung die neue Qualität der türkischen Angriffe klargeworden sei. Die türkische Armee zog sich nicht wie sonst nach Operationen aus Südkurdistan zurück, sondern besetzte Schritt für Schritt ganze Landstriche jenseits der türkisch-irakischen Grenze. Die Armee rückte mit dem erklärten Ziel ein, die gesamte Guerilla in Kurdistan zu neutralisieren, und kündigte an, bis zum Frühling die Kontrolle der Guerilla über alle Gebiete zu brechen. Amed sagt, die türkische Armee habe vorgehabt, alle Bewegungen der Guerilla, insbesondere die Wege in und aus den Medya-Verteidigungsgebieten, zu kappen und die Guerilla-Camps unbenutzbar zu machen. Zu den aktuellen Entwicklungen in der Region sagt er: „Wie groß die Angriffe der Faschisten in der Geschichte der Bewegung auch immer gewesen sind, die Guerilla konnte dennoch dem Feind immer wieder schwere Schläge zufügen. Diese Durchbrüche gehen häufig auf die Initiative von manchmal nur einer Kämpferin, manchmal sogar alleine auf das Wort eines Kämpfers zurück. Die Aktionen von Heval Zinar und Heval Sema sind Beispiele für diese enormen Erfolge. Auch die Initiative von Leyla Güven, als sie den Massenhungerstreik in den Gefängnissen anführte, war eine solche bahnbrechende Aktion.“
„Die Jahreszeiten kommen und gehen – aber wir sind hier“
Amed fährt fort: „Nun befinden wir uns im Jahr 2020. Der Feind träumt immer noch davon, die Guerilla zu vernichten. Auf dieser Grundlage hat er militärische und finanzielle Ressourcen gesammelt. Aber jetzt ist der Frühling gekommen, der Winter ist vorbei, der Sommer wird kommen, der Herbst ebenfalls und dann wieder der Winter. Die Jahreszeiten vergehen, aber wir sind hier. Die Türkei ist nicht in der Lage, die Guerilla zu besiegen. Heval Sema hat dem Feind die Botschaft übermittelt: Jeder von uns wird eine Atombombe sein, die inmitten eures Herzens explodiert.“
Amed erklärt, dass Sema aber auch eine Botschaft an die Guerilla gerichtet habe: „Wir dürfen auf niemand anderen warten. Alle in der PKK sind selbst eine Partei, eine Armee. Nutzt eure Möglichkeiten richtig. Schränkt den Bewegungsradius des Feindes ein und drängt ihn aus Kurdistan hinaus.“
„Sie hat gezeigt, wie wir kämpfen werden“
Die YJA-Star-Kommandantin Laleşin Cudi macht auf die kurdenfeindliche Politik des türkischen Staates aufmerksam und erklärt: „Unsere Hauptaufgabe ist es, gegen die Besatzer Kurdistans zu kämpfen und den Widerstand auszuweiten.“ Sema Koçers Aktion betrachtet sie in der Tradition von Zilan (Zeynep Kinaci). Zilan war eine ARGK-Guerillakämpferin, die am 30. Juni 1996 ein Fanal setzte, als sie sich in einer Militärparade im besetzten Dersim in die Luft sprengte. Laleşin Cudi sagt: „Sema Koçer war eine Zeitlang zusammen mit unserer großen Kommandantin Çiçek Botan. In unserer Bewegung gab es immer den Geist der Vergeltung – angefangen bei Zilan. Dieser Geist hat bis heute seine Lebendigkeit bewahrt. Sema hat dieses Vermächtnis in die Zukunft getragen. Ohne Zweifel ist die PKK eine Bewegung der Fedayin und der Rächer*innen. Alle in der Bewegung kämpfen mit dieser Motivation und Moral gegen die Besatzer. Unsere Weggefährtin Sema hat gezeigt, wie wir als YJA-Star im Jahr 2020 kämpfen werden. Wir einen dieser Aktion angemessenen Kampf führen.“