Bei den Protesten in der südkurdischen Stadt Kerkûk (Kirkuk) im Norden des Iraks hat es zwei weitere Tote gegeben. Die beiden Kurden erlagen am späten Samstagabend beziehungsweise in der Nacht zum Sonntag ihren Schussverletzungen, hieß es aus Kreisen der örtlichen Gesundheitsbehörde. Damit ist die Zahl der Todesopfer auf vier gestiegen. Drei von ihnen sei in die Brust geschossen worden, einem vierten in den Kopf. Die Zahl der Verletzten erhöhte sich auf fünfzehn. Sie seien von „Kugeln, Steinen oder Glas“ getroffen worden, sagte Gesundheitsamtsleiter Ziad Khalaf. Unter ihnen befänden sich auch drei Angehörige der Sicherheitskräfte.
Auslöser der Proteste im Bezirk Rahimawa im nördlichen Teil von Kerkûk war die Belagerung der Fernstraße nach Hewlêr (Erbil), der Hauptstadt der Kurdistan-Region Irak (KRI), durch einen Sitzstreik arabischer und turkmenischer Demonstranten. Seit dem vergangenen Wochenende blockieren die größtenteils aus Bagdad und Diyala angereisten Männer mit einem Protestzelt nahe dem Hauptquartier irakischer Truppen den wichtigen Verbindungsweg, weil sie gegen die Übergabe des Gebäudes an die PDK („Demokratische Partei Kurdistans“) sind.
Das Gelände war bis vor sechs Jahren noch im Besitz der PDK. Als die südkurdischen Kräfte im Zuge eines von PDK-Chef Mesûd Barzanî durchgesetzten umstrittenen Unabhängigkeitsreferendums 2017 schwere territoriale Verluste hinnehmen mussten, zogen sie sich unter anderem auch aus Kerkûk zurück. Seither wurde das blockierte Gebäude vom Einsatzkommando der irakischen Streitkräfte genutzt. Vergangene Woche wies Ministerpräsident Mohammed Schia al-Sudani seine Truppen an, das Areal zurück an die PDK zu übergeben. In verschiedenen politischen Lagern sorgte die Anordnung für Verstimmung.
Die getöteten Demonstranten | Quelle: RojNews
Als kurdische Demonstranten am Samstag versuchten, zu dem Hauptquartier zu gelangen, eröffneten irakische Sicherheitskräfte mit scharfer Munition das Feuer. Warnschüsse hätten die kurdischen Protestierenden zur Auflösung ihrer Demonstration bewegen sollen, hieß es von offizieller Seite. Al-Sudani ordnete noch am Abend eine Ausgangssperre in Kerkûk und „umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen in den von den Unruhen betroffenen Gebieten“ an, wie es in einer Erklärung seines Büros hieß.
Arabisch-turkmenisches Protestlager am 28. August 2023 | Foto: RojNews
Am Sonntag wurden schließlich rund vierzig Kurden, die sich an den Protesten in Kerkûk beteiligt haben sollen, unter „Terrorismus“-Verdacht festgenommen. Was ihnen konkret zur Last gelegt wird, war zunächst unklar. Sieben Polizeibeamte, denen vorgeworfen wird, gezielt auf Demonstranten geschossen zu haben, befänden sich mittlerweile in Untersuchungshaft. Die Ausgangssperre in der Stadt wurde derweil wieder aufgehoben. Im Verlauf des Tages will Ministerpräsident Al-Sudani mit Parlamentsmitgliedern zusammentreffen, um die Entwicklungen in Kerkûk zu erörtern.