HPG werfen Türkei erneut Einsatz von Phosphorgranaten vor

Die HPG haben der Türkei erneut vorgeworfen, Phosphorbomben in Südkurdistan einzusetzen. In Qendîl ist ein Dorf von der türkischen Luftwaffe bombardiert worden.

Die Volksverteidigungskräfte (HPG) haben der Türkei erneut vorgeworfen, Phosphorbomben in Südkurdistan einzusetzen. Nachdem das Pressezentrum der HPG schon am Dienstag berichtet hatte, dass es in der Zap-Region zu Angriffen mit aus Panzern abgefeuerten und mit Phosphor angereicherten Granaten gekommen ist, meldet die Informationsstelle der Guerillaorganisation auch heute die Dokumentation von Einsätzen dieser Waffen. Erneut richteten sich die Angriffe gegen Widerstandsstellungen in Çemço und im direkten Umland des Dorfes Sîda. Beide Gebiete gehören zur Gemeinde Şîladizê nahe der Kleinstadt Amêdî.

Insgesamt 17 Einschläge von Phosphorbomben sowie verbotener Bomben verzeichneten die HPG ihrer Bilanz zum Kriegsgeschehen im Zap demnach am Dienstag. „Zeitgleich wurde giftiger Rauch von angezündeten Autoreifen und anderem Plastikmaterial in eine unterirdische Tunnelanlage eingeleitet“, heißt es in der Erklärung. Sowohl in Çemço als auch in Sîda und am Widerstandsmassiv Girê Cûdî registrierten die HPG zudem den gesamten Tag über 36 Einschläge von Artillerie- und Panzergranaten. In der Qendîl-Region wurde das Dorf Gundê Bêpalan aus der Luft angegriffen.

Weiter geht aus der Bilanz hervor, dass in Çemço eine Gruppe türkischer Besatzungssoldaten bei dem Versuch, Sprengsätze in der Umgebung von Guerillastellungen zu befestigen, ins Visier genommen wurde. „Um unsere Verteidigung aufrecht zu erhalten, haben unsere Kräfte die Besatzer mittels Sabotage-Taktik angegriffen“, so die HPG.

Türkei nutzt Phosphorbomben als Kriegswaffe

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Türkei in ihrem Krieg in Kurdistan auf Phosphorbomben setzt. Zwar verstößt der Einsatz dieser Waffen bisher nicht generell gegen die Chemiewaffenkonvention, da sie als Brandbomben gewertet werden. Die medizinischen Folgen sind aber so inhuman, dass sich viele Organisationen, darunter die IPPNW (Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges e.V.), für ein Verbot von Phosphorbomben in bewaffneten Konflikten aussprechen.

Phosphorbomben enthalten ein Gemisch aus weißem Phosphor und Kautschuk, das sich beim Kontakt mit dem in der Luft enthaltenen Sauerstoff entzündet. Es entsteht eine bis zu 1300 Grad Celsius heiße Flamme, begleitet von dichtem, weißem Rauch. Die in den Bomben enthaltene Mischung bleibt auf der Haut der Opfer haften. Versuchen sie panisch, die Substanz abzuwischen, verteilt sie sich nur noch weiter. Selbst kleinste Phosphorpartikel, die auf die Haut gelangen, erzeugen schmerzhafte Verbrennungen zweiten oder dritten Grades. Zum Teil sind die Verletzungen sehr tief, da sich die fettlöslichen Phosphorpartikel bis zum Knochen fressen können.

Feuer, das durch Phosphorbomben gelegt wurde, lässt sich nicht mit Wasser löschen - es flammt schon wenige Sekunden nach dem „Abgießen“ wieder auf. Nur durch Mittel wie Sand lässt sich der Brand ersticken. Zudem sind die Dämpfe hochgiftig: Für einen Erwachsenen sind bei direkter Aufnahme schon 50 mg tödlich.

Doch trotz ihrer toxischen Wirkung werden Phosphorbomben nicht allgemein als chemische Waffen gewertet. Lediglich der Einsatz gegen Zivilpersonen ist nach den Zusatzprotokollen des Genfer Abkommens seit 1977 verboten – um sogenannte Rauchschirme zu legen, dürfen diese Waffen verwendet werden. Einer Einordnung von Phosphoreinsätzen als Kriegsverbrechen stehen Staaten wie die USA, Russland und Israel gegenüber, die systematisch Phosphorbomben einsetzen. Die Türkei setzte Phosphorbomben bisher nicht nur in Südkurdistan ein, sondern auch bei ihrem Angriffskrieg gegen Nordsyrien 2019.