Hengaw: 16-Jähriger in Pîranşar aus nächster Nähe erschossen

In der ostkurdischen Stadt Pîranşar ist ein 16-jähriger Schüler durch Schüsse iranischer Regimekräfte getötet worden.

Tag 45 seit Ausbruch der Revolte in Ostkurdistan und Iran, die sich am gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini in Gewahrsam der sogenannten Sittenpolizei entzündete. Noch immer gehen tausende Menschen mit der Forderung nach einem Systemwechsel gegen den herrschenden Klerus auf die Straße – trotz brutaler Niederschlagungsversuche und zuletzt auch einer ultimativen Warnung der berüchtigten Revolutionsgarde, die Geduld des Systems nicht überzustrapazieren. Menschenrechtsgruppen zählen mindestens 283 Tote – darunter 44 Minderjährige. Einer von ihnen ist der 16-jährige Komar Daroftadeh aus der kurdischen Stadt Pîranşar. Der Schüler wurde am 29. Oktober von iranischen Regimekräften aus nächster Nähe niedergestreckt. Einen Tag später erlag er in einem Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. An Protesten beteiligte sich der Junge zu dem Zeitpunkt offenbar nicht.

Aus drei Meter Entfernung niedergestreckt

Wie die kurdische Organisation Hengaw berichtet, wurden die Schüsse auf den Jugendlichen aus zwei Fahrzeugen heraus abgefeuert. Er habe sich auf dem Oraz-Platz im Zentrum von Pîranşar aufgehalten, als zwei Wagen mit Sicherheitskräften in drei Meter Entfernung anhielten und unvermittelt das Feuer auf ihn eröffneten. Komar sei daraufhin blutüberströmt zusammengebrochen und von Zeugen in das Khomeini-Krankenhaus gebracht worden. Einer von zwei Freunden des Elftklässlers, die sich wohl in der Nähe aufhielten, wurde laut Hengaw von Sicherheitskräften verschleppt und ist noch immer nicht auffindbar. Was mit dem dritten Jugendlichen geschehen ist, sei weiter unklar.

„Ich nannte ihn Komar“

Komar Daroftadeh stammte gebürtig aus dem Dorf Zyoke in Pîranşar. Dort wurde der Junge heute beerdigt. Sein Vater hielt eine bewegende Rede am Grab des Kindes: „Mein Sohn wurde an einem 25. August geboren. Ich nannte ihn Komar.* Ich bin glücklich, sagen zu können, dass er ein Gefallener für die Freiheit und für sein Land geworden ist. Doch dieser Herzschmerz ist grausam. Ihr könnt ihn nicht fühlen, da ihr ihn nicht selbst erlebt habt. Meine Seele wurde gestern Abend ausgehöhlt. Er brachte ein Opfer für dieses Land, für die Freiheit. Bei Gott, sie werden uns alle töten. Bei Gott, mein Junge war unschuldig. Sie werden niemanden verschonen. Sie verkaufen sich selbst. Sie verkaufen unsere Nation.“

Von Revolutionsgarde ermordete 16-Jährige in Sine beerdigt

Ein weiteres Kind, das von iranischen Regimekräften in Ostkurdistan ermordet wurde, ist Sarina Saedi. Die ebenfalls 16 Jahre alte Schülerin war am vergangenen Mittwoch bei einer Demonstration zum 40. Todestag von Jina Mahsa Amini in Sine (Sanandadsch) an den Folgen massiver Schläge von Trupps der Revolutionsgarde auf den Kopf gestorben. Die Behörden behaupteten, sie hätte Suizid begangen, und setzten ihre Familie unter Druck, keine öffentliche Beisetzungszeremonie abzuhalten.

„Nehmt ihr uns eine, antworten Tausende“

Die Eltern ignorierten die Drohungen und beerdigten das Kind am Montagnachmittag in Sine - obwohl die Behörden eine nächtliche Beisetzung anordneten. Zahlreiche Menschen strömten auf den Friedhof, die Beerdigung schlug in eine Demonstration gegen das Regime um: „Nehmt ihr uns eine, antworten Tausende“, riefen die anwesenden Frauen, Männer skandierten „Jin, Jiyan, Azadî“. 

*Komar ist Kurdisch und bedeutet„Republik“. Der Vater des getöteten Jungen nimmt Bezug auf die Komara Kurdistanê. Die Republik Kurdistan, auch Volksrepublik Mahabad genannt, wurde im Januar 1946 von Qazî Mihemed gegründet und bestand nur elf Monate. Die Regierung stellte das 1942 von Qazî Mihemed gegründete „Komeley Jiyanewey Kurd“ (Konzil für die kurdische Wiedergeburt), das sich am 16. August 1946 in „Partiya Demokratîk a Kurdistana Îranê“ - Demokratische Partei Kurdistans-Iran (PDK-I) umbenannte.