„Grenzenlose Solidarität“ in Istanbul

Die Initiative „Grenzenlose Solidarität“ in Istanbul unterstützt sozial benachteiligte Gruppen, insbesondere Geflüchtete und Migrant:innen, und kämpft gegen Ausgrenzung und Vereinzelung.

Solidarität im Sinne der Menschlichkeit

Während angeheizt durch die AKP/MHP-Diktatur Rassismus und Ausgrenzung in der Türkei grassieren, versuchen Initiativen wie „Grenzenlose Solidarität“ im Istanbuler Bezirk Fatih dem entgegenzuhalten. Seit etwa einem Jahr arbeitet „Grenzenlose Solidarität“ in dem von vielen Problemen belasteten Stadtteil Istanbuls.

Begonnen hatte die Gruppe ihre Arbeit vor etwa zehn Jahren unter dem Namen „Tarlabaşı Solidarität“ in dem gleichnamigen von kurdischer Binnenmigration, Flucht und Migration, Illegalisierung und Obdachlosigkeit geprägten Stadtteil. Die Initiative agiert vollständig unabhängig von jeder Unterstützung von außen.

Impfungen und andere Gesundheitsangebote

Die Initiative betreibt eine Einrichtung in einem vierstöckigen Gebäude in Fatih. Dabei steht auch hier die Unterstützung von Migrant:innen, Obdachlosen und anderen sozial benachteiligten Gruppen im Mittelpunkt. Im Erdgeschoss des Gebäudes gibt es eine Suppenküche, wo einmal wöchentlich Essen und Lebensmittel an Obdachlose und Mittellose ausgegeben wird. Darüber befindet sich ein Gesundheitszentrum, in dem ehrenamtliche Ärzt:innen Menschen, die keinen Zugang zur medizinischen Versorgung haben, Hilfe anbieten. Eine weitere Etage des Gebäudes steht freien Journalist:innen, Anwält:innen und anderen zur Verfügung, die ein Büro brauchen. Dabei verlangt die Initiative keine Miete oder ähnliches, sondern nur die Unterstützung von Armen, Obdachlose und Migrant:innen.

Die Mitarbeiter:innen von „Grenzenlose Solidarität“ arbeiten vollständig ehrenamtlich. Es handelt sich um Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, Kurd:innen, Araber:innen und Türk:innen, und unterschiedlicher politischer Identität.


Kadir Bal ist einer der Gründer von „Grenzenlose Solidarität“

Menschen, die in Istanbul noch nicht einmal das Meer gesehen haben

Die Geschichte von Kadir Bal, einem der Gründer von „Grenzenlose Solidarität“ und zuvor von „Tarlabaşı Solidarität“, begann mit seiner Begegnung mit Straßenkindern in Istanbul. Der aus Mersin stammende Bal, der während seiner Tätigkeit als Softwareentwickler und Redakteur in Istanbul mit Straßenkindern in Berührung kam, begann, Obdachlose, illegale Einwanderer, Geflüchtete und andere benachteiligte Gruppen zu treffen und in ihr Leben einzutauchen. Aufgrund dieser Erfahrung beschäftigte er sich noch intensiver mit der Lage von Obdachlosen, Geflüchteten und Illegalisierten in der Türkei.

Als er begriff, dass in Istanbul Menschen leben, die noch nicht einmal das Meer gesehen haben, begann Bal den Aufbau eines Solidaritätsnetzwerkes und gründete „Grenzenlose Solidarität“. Im ANF-Gespräch berichtete er über die Geschichte der Initiative: „Unsere Solidaritätsaktivitäten umfassen nicht nur gesundheitliche, juristische und soziale Unterstützung für Migrant:innen und Geflüchtete, sondern auch für alle benachteiligten Gruppen, Menschen in Not, ob aus der Türkei oder nicht.“

Rassistische Angriffe sind keine Überraschung“

Bal erklärte, dass die jüngsten rassistischen Angriffe auf syrische Geflüchtete in der Türkei keine Überraschung seien. Denn die Migrationspolitik der Regierung sei vollkommen unzureichend und fehlerhaft. Die Angriffe seien Ausdruck der immer aggressiver werdenden Migrantenfeindlichkeit im rechten Spektrum.

Bal fuhr fort: „Zu den Zielen unserer Solidarität gehört in erster Linie die Gesundheitsberatung für Migrant:innen, um ihnen den Zugang zu Dienstleistungen im Gesundheitsbereich zu erleichtern. Im juristischen Bereich gibt es ebenfalls Beratung, um den Zugang zu rechtlicher Unterstützung, insbesondere für Migrant:innen, zu gewährleisten. Darüber hinaus organisieren wir die Menschen um uns herum, um den Bedürftigen zu helfen. Mit anderen Worten, es gibt nicht nur Solidarität mit den im Sinne der Menschenrechte Unterdrückten, den Armen trotz Arbeit, sondern auch direkte Unterstützungsarbeit.“

Es wird versucht, Istanbul von Armen und Obdachlosen zu säubern“

Bal berichtete, dass die Beziehungen zu den Kommunalverwaltungen in Istanbul zum schwierigsten Bereich ihrer Arbeiten gehörten, denn diese hätten vor allem das Interesse, Istanbul von Armen und Obdachlosen „zu säubern“. Er fügte an: „Unsere Solidaritätsarbeit in Istanbul stößt in erster Linie auf die Mauer der kommunalen Verwaltungen. Diese werfen uns vor, Istanbul zu einem Anziehungspunkt für Arme, Obdachlose und benachteiligte Gruppen zu machen.“

Die Solidarität findet ihre eigenen Wege“

Während der Staat und die Kommunalverwaltungen Ausgrenzung und Hetze betreiben, finde das aber in der Bevölkerung in Fatih keinen größeren Widerhall. Bal berichtete, dass aus der Bevölkerung kein Widerspruch gegen die Solidaritätsarbeit käme, vielmehr engagierten sich sogar viele und sammelten ebenfalls Spenden. Er schloss mit den Worten: „So findet die Solidarität ihren eigenen Weg, indem sie jedes Mal mit neuen Gesichtern und neuen Menschen wächst.“