GfbV: Minderheiten müssen am Übergangsprozess beteiligt werden

Die Gesellschaft für bedrohte Völker fordert die Beteiligung aller Volks- und Religionsgruppen am Übergangsprozess in Syrien. Das Vorbereitungskomitee für die nationale Dialogkonferenz sei ein Alibi-Komitee, das westliche Staaten beschwichtigen soll.

„Alibi-Komitee“ in Syrien

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert die islamistischen Machthaber in Syrien auf, die Beteiligung aller Volks- und Religionsgemeinschaften am Übergangsprozess zu gewährleisten. „Ahmed al-Scharaa hat bei der Ernennung des siebenköpfigen ‚Vorbereitungskomitees für den syrischen nationalen Dialog‘ keine Minderheitenangehörigen eingeschlossen. Es besteht ausschließlich aus Personen, die arabisch-nationalistische oder sunnitisch-islamistische Ideologien vertreten“, kritisiert Dr. Kamal Sido, Referent für ethnische und religiöse Minderheiten bei der GfbV. Das Komitee, das vergangene Woche gebildet wurde, soll den politischen Weg zu einer Verfassung und Wahlen ebnen.

Alibi-Komitee soll westliche Staaten beschwichtigen

„Bei dem Vorbereitungskomitee handelt es sich um ein Alibi-Komitee, das westliche Staaten beschwichtigen soll“, so Sido. Dass die Reaktion der Außenministerinnen und Außenminister mehrerer europäischer Staaten auf die Berufung von zwei Frauen in den Ausschuss positiv ausfiel, „zeigt, dass diese Strategie Erfolg hat“. Das „Netzwerk für feministische Außenpolitik“, dem die Chefdiplomat:innen von Deutschland und unter anderem auch die Niederlande, Norwegen, Spanien und Schweden angehören, hat die Ernennung der beiden Frauen in das Komitee „ein Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet. Ohne die aktive Beteiligung der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und den kurdischen, drusischen, alawitischen und christlichen sowie weiteren Gemeinschaften könne es jedoch „keinen echten demokratischen Prozess“ geben, erklärte Sido. Es würden lediglich die Grundlagen für ein „sunnitisch-islamistisches Regime“ in Syrien gelegt.

Komitee unter Kontrolle von Türkei und Katar?

„Deutschland, die EU, die USA, Russland und andere Staaten sind aufgefordert, jeden Versuch der neuen syrischen Übergangsregierung, dauerhaft ein islamistisches Regime zu installieren, zu verhindern“, fordert Sido. Die Regierungen dieser Staaten sollten Kontakt mit den QSD, den Kurd:innen und anderen Volksgruppen aufnehmen und deutlich machen, „dass sie nur eine neue syrische Regierung akzeptieren, die die Interessen aller Syrerinnen und Syrer vertritt“. Vieles weise laut dem Menschenrechtler darauf hin, dass die Mitglieder des Komitees vollständig unter der Kontrolle des türkischen Machthabers Erdoğan und des Emirs von Katar stünden. Das könnte ein Grund dafür sein, dass keine Vertreter:innen der QSD, der Drus:innen und anderer ethnischer und religiöser Gruppen in die Kommission aufgenommen wurden.

Groß angelegter Prozess der Islamisierung

An den Universitäten und Schulen in Damaskus und Aleppo setze sich derweil ein groß angelegter Prozess der Islamisierung der syrischen Gesellschaft fort. An öffentlichen Orten wie vor Hörsälen oder auf Schulhöfen fänden Massengebete statt, Koranbücher und sunnitisch-islamistische Literatur werden verteilt. „Darüber hinaus geht die Hetze gegen Kurd:innen und andere Volksgruppen, die ein demokratisches, säkulares und föderales System fordern, weiter. Kurdische und drusische Politiker:innen und Würdenträger:innen werden als ‚Agenten der Juden‘ und Israels gebrandmarkt. Auch Erdoğan nahestehende türkische Medien sowie der sunnitisch-islamistische katarische TV-Sender Al Jazeera beteiligen sich an der Hetze“, so Sido.