Gedenkfeier für Michael Panser in Potsdam

In Potsdam hat eine Gedenkfeier für den Internationalisten Michael Panser stattgefunden. Der deutsche Guerillakämpfer ist vor einem Jahr in den Bergen Kurdistans gefallen.

In Potsdam verabschiedeten sich Freund*innen und Angehörige von Michael Panser (Bager Nûjiyan), den viele als Xelîl kannten. Michael war, nachdem er sich 2017 der Guerilla angeschlossen hatte, vor knapp einem Jahr kurz nach seinem 30 Geburtstag am 14. Dezember 2018 in den Medya-Verteidigungsgebieten bei einem Luftangriff der türkischen Armee ums Leben gekommen.

Etwa 120 Menschen versammelten sich gestern in dem mit Bildern von Gefallenen, Kerzen und Blumen geschmücktem Saal. Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einer Schweigeminute, dem Flötenspiel der kurdischen Musikerin Sosin und einer Rede von Şengê Kahraman, der Ko-Vorsitzenden der Organisation von Gefallenen-Angehörigen. Kahraman, die selbst ihre Söhne Sinan und Taylan im Kampf verloren hat, erinnerte daran, wie viele Menschen auch aktuell wieder ihr Leben für die Freiheit geben, und grüßte insbesondere den Vater und die Geschwister von Michael. Heval Nûpel von der kurdischen Frauenbewegung, die ebenfalls anwesend war, hatte Michael in Berlin kennengelernt. „Er war ein Mensch, mit dem man gerne zusammen war“, sagte sie.

Michael folgte seinen Träumen und seiner Vorstellung von einer besseren Welt

Es folgte ein eindrucksvolles Video über die verschiedenen Stationen im Leben von Micha, Xelîl, Bager - die verschiedenen Namen stellen auch diese Lebensphasen dar: Seine glückliche Kindheit und Jugend mit einer Familie, die ihm Werte und viele Fähigkeiten mitgegeben hat. Schon mit 14 Jahren war Micha in der Antifa aktiv, spielte Gitarre, sang und schrieb Texte in einer Punkband. Er war auf der Suche in Lateinamerika, bei der EZLN. 2012 ging er das erste Mal nach Kurdistan, nannte sich dort Xelîl Viyan in Erinnerung an Halil Uysal (Xelîl Dağ), den großen Filmemacher der kurdischen Bewegung, der sich ebenfalls aus Deutschland angeschlossen hatte. Michas damalige Punkband Unknown Artists, eine Musikgruppe des Bloco Latinamericana und ein Chor verbanden seine Ideen mit dem Lebensgefühl, die in der Musik zum Ausdruck kam.

Esther von der kurdischen Jugendbewegung war während eines Angriffs der PDK auf Xanesor mit Xelîl im Şengal. Dort habe er die Bedeutung der Berge für die Kurd*innen verstanden, dass sie drei Jahre nach dem Überfall des IS immer noch dort oben blieben und nicht ins Tal zurückkehrten. „Dass er gefallen ist, ist ein riesengroßer Verlust“, sagte Esther. Der Name Bager Nûjiyan, den er sich später bei der Guerilla gab, ist eine Würdigung für die Journalistin Nûjiyan Erhan, die während seiner Zeit im Şengal dort von der PDK ermordet worden war.

Xelîls Familie in Rojava

Videobotschaften aus Rojava zeigten, dass Xelîl auch dort viele nachhaltige Verbindungen geknüpft hatte. So hängt Xelîls Bild in einer Wohnung in Qamişlo zwischen den Bildern der Gefallenen dieser Familie, die per Videobotschaft die Familie von Xelîl grüßte. Internationalistinnen hatten ein mitreißendes Lied mit dem Titel „Freiheit, Freedom, Azadî“ geschickt. Eine Freundin aus den Bergen berichtete, dass er dort den Namen Bager Nûjiyan angenommen hatte. Durch sein Asthma hatte er viele Schwierigkeiten, was aber seiner Begeisterung für das Leben in den Bergen kein Hindernis war: „Er wollte das Herz der Guerilla kennenlernen.“

Als Abschluss gingen einige lange Weggefährt*innen von Xelîl auf die Bühne und sangen gemeinsam mit dem Publikum einige seiner Lieblingslieder. Ronahî las einen Text in Erinnerung an ihn:

„Xelîl hat an Utopien gesponnen, um sie zu verwirklichen. Wer ihn getroffen hat, weiß, dass er voller magischer Geschichten war und fasziniert von Geschichtenerzähler*innen, die über den Rand des Bestehenden hinausgingen. Er entwickelte daraus die besondere Fähigkeit, Schwierigkeiten und Hindernissen mit einer Leichtigkeit zu begegnen im Bewusstsein der noch viel größeren Aufgaben, die auf ihn warteten (…) Was ihn antrieb, war eine tiefe Überzeugung, dass auf dieser Welt momentan etwas nicht stimmt, dass Gut und Böse auf den Kopf gestellt und Recht und Unrecht trügend verwischt sind. (…) Er kam oft zu einer Erkenntnis zurück: der Notwendigkeit des ganzheitlichen Denkens. Ganzheitlich waren auch sein Verständnis von Revolution und seine Vorstellung davon, wie die Revolutionär*innen sein müssen, die diesen Weg beschreiten.“

Wir haben einen Freund und Genossen, einen großen Revolutionär verloren

Deutlich wurde an diesem Abend eins: Micha, Xelîl, Bager wurde von vielen Menschen geliebt und bewundert. Er war ein Mensch, der begeistern konnte und andere mit Diskussionen in den Freiheitskampf hineinzog. Er liebte intellektuelle Herausforderungen, saugte Bücher förmlich auf, las Science-Fiction, Winnie Puh, Walter Moers, Foucault und vor allem Öcalan.

Alle Eindrücke dieses Abends, die ausgestellten Bücher, Fotos, ein in krakeliger Kinderschrift selbstgeschriebenes Erinnerungsheft über seine Auftritte mit der Geige und vor allem die vielen Lieder zeigten das Bild eines Menschen, der ein reiches Leben gelebt hat und nach langer Suche genau den Ort gefunden hatte, von dem er glaubte, sein großes Potential am Besten einsetzen zu können und glücklich war.

Offensichtlich wurde auch, dass wir einen Freund und Genossen, einen großen Revolutionär verloren haben, der noch sehr, sehr viel zum Kampf hätte beitragen können: Vor allem seine intellektuellen Fähigkeiten, seine große Fähigkeit zur Analyse, verbunden mit einer tiefen Liebe für die Menschheit. So hinterlässt er eine große Lücke, hat auf der anderen Seite jedoch viele Menschen mit seiner grenzenlosen Begeisterung infiziert. Viele seiner langjährigen Weggefährt*innen sind heute Teil der Bewegung für den Demokratischen Konföderalismus und gehen seinen Weg entschlossen weiter.