Dorfschützer nach Tötung von 28-Jährigem verhaftet

Einen Tag nach dem gewaltsamen Tod eines Mannes in einem Dorf bei Midyad ist der mutmaßliche Schütze verhaftet worden. Auch zwei Brüder des Dorfschützerchefs sitzen in Untersuchungshaft.

Einen Tag nach dem gewaltsamen Tod eines Mannes in einem Dorf bei Midyad ist der mutmaßliche Schütze verhaftet worden. Auch gegen zwei Brüder des Tatverdächtigen erließ die Strafkammer des Landgerichts in Midyad am Montag einen Haftbefehl. Den drei Männern wird vorsätzliche Tötung vorgeworfen. Sie befinden sich mittlerweile in einem Gefängnis in der Provinz Mêrdîn.

Was war geschehen? Der 28 Jahre alte Mazlum Musa Çelik wurde am Sonntag in der Ortschaft Mesken (türkischer Name: Çamyurt) erschossen. Angehörige des Mannes gaben an, die tödlichen Kugeln seien aus der Waffe des Dorfschützerchefs Şirin Akçay abgefeuert worden. Zuvor habe es einen Streit zwischen Çelik und den Dorfschützern gegeben. Hintergrund seien Forderung des Opfers an Şirin Akçay und seine Brüder Veysi und Mahsum über die Rückzahlung von privat verliehenem Geld.

Nachdem Çelik infolge der Schussverletzung zunächst schwerverletzt am Tatort zusammenbrach, soll Şirin Akçay nach Angaben von Zeugen in Begleitung seiner Brüder das Haus der Çeliks aufgesucht und die Familie bedroht haben. Währenddessen sei das Opfer mitten auf dem Dorfplatz verblutet. Die zwischenzeitlich verständigte Militärpolizei (Gendarmerie) hatte Mesken daraufhin abgeriegelt, gefasst wurde Akçay, der zugleich auch der Ortsvorsteher des Dorfes ist, erst Stunden später.  

Bruder des Opfers beklagt „Terror“ durch Dorfschützer

Idris Çelik, der Bruder des Getöteten Mazlum Musa Çelik, spricht von einem „Terrorregime“, das die Dorfschützer in Mesken installiert hätten. „Mit den Waffen, die sie vom Staat bekommen, verbreiten sie Angst und Schrecken. Sie stellen sich über das Recht und haben es in vielen Fällen schon gebrochen. Sie unterdrücken die Dorfbevölkerung. Neuerdings töten sie sogar Menschen. Dagegen werden wir uns zur Wehr setzen“, so Çelik. Mazlum Musa Çelik ist derweil in Mesken beigesetzt worden.

Was sind Dorfschützer?

Dorfschützer sind paramilitärische Einheiten, die in Kurdistan gegen die Guerilla und unliebsame Oppositionelle eingesetzt werden. Sie bestehen zu einem beträchtlichen Teil aus Stammesführern, Großgrundbesitzern, Familien und Einzelpersonen, die oft seit Jahrzehnten mit dem Staat zusammenarbeiten und versuchen, in Kurdistan für die Interessen des Staates einzutreten. Ein Teil der Dorfschützer tritt diesem System freiwillig bei, andere werden mit Mord, Verhaftung und Vertreibung bedroht und müssen unter Druck Dorfschützer werden. Als historisches Vorbild der Dorfschützer gelten die Hamidiye-Regimenter im Osmanischen Reich. Das heutige Dorfschützersystem ist 1985 entstanden, ein Jahr nach dem Auftakt des bewaffneten Kampfes der Arbeiterpartei Kurdistans. Damals begann die türkische Regierung unter Turgut Özal damit, kurdische Stämme und Clans im Krieg gegen die PKK anzuwerben und zu bewaffnen. Tausende kurdische Dörfer, die das Dorfschützersystem ablehnten, wurden in den 1990er Jahren vom Staat niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht.