„Die Rojava-Revolution hat der Welt die Augen geöffnet“

Was die Revolution von Rojava mit uns gemacht hat, ist keine einfache Angelegenheit. Für uns ist es das erste Mal, dass wir uns selbst verteidigen und selbst regieren. Du stellst dir die Frage: Wer, wenn nicht ich, und wann, wenn nicht jetzt?

Agirî Qamişlo stammt aus Rojava und ist Kämpferin der Frauenguerilla YJA-Star. Gegenüber ANF erzählt sie, was die Revolution von Rojava bei ihr bewirkt hat und was sie auch anderen jungen Menschen rät:

„Die Revolution von Rojava hat allen die Augen geöffnet: Den Frauen, der Jugend, der Gesellschaft und der ganzen Welt. Unweigerlich bin auch ich davon erfasst worden. Es war die Frage, wie und wo ich mich daran beteilige. Nach wie vor opfern Militante ihr Leben für die Befreiung Kurdistans. Rêber Apo [Abdullah Öcalan] beleuchtet die Revolution in seinen Verteidigungsschriften und verleiht Rojava damit Stärke. All das hat natürlich auch mich beeinflusst. Die Revolution von Rojava ist im Grunde genommen eine Gewissensfrage. Man kann seine Augen und Ohren nicht davor verschließen und man kann nicht dazu schweigen. Sie ist wie eine Aufgabe, die auf unseren Schultern liegt. Du stellst dir die Frage: Wer, wenn nicht ich, und wann, wenn nicht jetzt? Was die Revolution mit uns gemacht hat, ist keine einfache Angelegenheit. Für uns als Volk ist es das erste Mal, dass wir uns in dieser Dimension selbst verteidigen und selbst regieren. Wir erwarten nicht mehr, dass der Staat uns leitet und schützt, das tut die Bevölkerung jetzt selbst. Mit diesem Enthusiasmus habe ich mich 2013 der Revolution angeschlossen.

Was mich dabei außerdem sehr beeinflusst hat, war die führende Rolle von Frauen. In unserer Gesellschaft galten Frauen als schwach. Wenn sie sich am Krieg beteiligten, dann nur in Bereichen wie der Logistik oder vielleicht bei der Miliz. Die Revolution hat gezeigt, dass es auch anders geht. Frauen können auf allen Ebenen und mit allen Methoden an der Revolution teilhaben. Sie können kämpfen, sich an der Verteidigung beteiligen, sich diplomatisch oder politisch betätigen. Daher habe auch ich als Frau mich verantwortlich gefühlt.

Als ich mich 2013 angeschlossen habe, bin ich in einer Fortbildung gewesen. Die Ausbildung hat eine Grundlage für alles weitere geschaffen. Um die Bevölkerung zu organisieren und kämpfen zu können, ist diese Grundausbildung sehr wichtig.

Ich war in Rojava lange Zeit in der Jugendarbeit. Diese Zeit war für mich wie eine Schulzeit. Ich war direkt mit der Realität meines Volkes und der Jugend konfrontiert und habe vor allem mich selbst kennengelernt. Ich lebte als junge Frau in der Gesellschaft, aber eigentlich wusste ich gar nicht, wie und warum ich was erlebe. In der Jugendarbeit ist mir sehr vieles bewusst geworden. Ich habe gemerkt, dass wir in einer sehr trügerischen Welt leben.

Das gilt auch für die Jugend in Başûr [Südkurdistan]. Sie ist am meisten von der feindlichen Spezialkriegspolitik betroffen. Der Kapitalismus hat dort am stärksten Einzug gefunden. Es wird alles dafür getan, damit die jungen Menschen keine Rolle bei der Befreiung Kurdistans übernehmen. Dafür werden sie getäuscht. Wenn ein junger Mensch im Süden arbeitslos ist und seine Familie kein Einkommen hat, legt ihm der Feind zwei Alternativen vor: Entweder er wird Peschmerga und Teil der Sicherheitskräfte oder er geht nach Europa. Den jungen Menschen sollte jedoch bewusst sein, dass es noch eine dritte Alternative gibt: Sie können sich der PKK-Bewegung anschließen und für ihr Land kämpfen. Sie können den Weg des Widerstands wählen.“