Der kurdische Lokalpolitiker Mehmet Selçuk ist in Reşqelas (auch Îdir, tr. Iğdır) verhaftet worden. Ein Richter am örtlichen Strafgericht ordnete am Samstagabend Untersuchungshaft wegen des „dringenden Verdachts der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ und „Unterstützung“ für selbige an, wie der Provinzverband der DEM-Partei mitteilte, dessen Ko-Vorsitzender der Kurde ist. Neben Selçuk wurden auch zwei weitere DEM-Mitglieder aufgrund derselben Vorwürfe verhaftet.
Selçuk und seine Parteigänger:innen waren am Donnerstag in Reşqelas festgenommen worden. Etwa zeitgleich hatten Spezialeinheiten der türkischen Polizei und des Militärs das Gebäude des Provinzverbands der DEM gestürmt und über mehrere Stunden durchsucht. Als Begründung wurde ein „anonymer Tipp“ genannt. Demnach gebe es „Hinweise“, dass Aktive der DEM in einen PKK-Angriff mit 13 toten Polizisten im September 2015 in Reşqelas verwickelt gewesen seien. Die Partei weist die Vorwürfe zurück und vermutet, dass der Vorgang im Zusammenhang mit Bemühungen der Regierung steht, das von der DEM regierte Rathaus in Reşqelas unter Zwangsverwaltung zu stellen.
Militärisches Großaufgebot am Donnerstag für die Razzia bei der DEM © DEM via MA
Meldeauflagen gegen fünf Parteimitglieder
Insgesamt hatte die Polizei in Reşqelas acht Personen in Gewahrsam genommen. Gegen fünf von ihnen ordnete das Gericht gestern Abend polizeiliche Meldeauflagen an. Grundlage der als „Präventivmaßnahme“ bezeichneten Meldeauflage ist das 2013 in Kraft getretene Gesetz zur „Freilassung unter Kontrolle“. Der Mechanismus gilt als Alternative zur Haft und wird von der Justiz exzessiv ausgeschöpft, um unliebsame Personen unter Kontrolle zu halten. Besonders häufig werden Menschen aus der kurdisch-demokratischen Opposition, Zivilgesellschaft und unabhängigen Presse von der türkischen Justiz belegt. In Kurdistan hat fast jede Familie ein mit Meldeauflagen belegtes Mitglied. Nicht selten dauert es Jahre, bis die Maßnahmen wieder aufgehoben werden.