Dem Bräutigam im Gefängnis von der Hochzeit berichten

Auf dem Weg zur Hochzeit wurde der Bräutigam verhaftet. Seine Braut Sara Başak Akboğa wartet auf den ersten Besuchstag, um Rohat Akboğa von der Hochzeit zu erzählen, die ohne ihn stattfand.

Rohat Akboğa hatte gerade die Frau, die er heiraten wollte, in Amed (Diyarbakir) vom Friseur abgeholt und war mit ihr auf dem Weg zum Henna-Abend, als sein Auto von der Polizei angehalten und er festgenommen wurde. Weil eine Haftstrafe wegen „Beleidigung des Staatspräsidenten“ rechtsgültig geworden war, wurde er verhaftet und in den Strafvollzug überstellt. Seine Braut Sara Başak Akboğa und die Familien des Brautpaars entschieden daraufhin, die Hochzeit ohne den Bräutigam abzuhalten.

Gegenüber der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) erklärte die Familie Akboğa, der Vorfall sei zwar überraschend und traurig, es sei jedoch nicht das erste Mal, dass sich etwas derartiges innerhalb der Familie ereigne. Einer Tochter sei Ähnliches passiert.

„Er will bestimmt wissen, wie die Hochzeit verlaufen ist“

Die Braut Sara Başak Akboğa hat den Schock noch nicht überwunden. Henna-Nacht und Hochzeit haben ohne den Bräutigam stattgefunden. Wie Sara erklärt, kennt sich das Paar schon lange und habe „aus Liebe“ geheiratet.

Sie habe zwar von dem Prozess gegen ihren Mann gewusst, eine Verhaftung am Hochzeitstag habe sie dennoch nicht erwartet: „Ich war völlig schockiert, als die Polizei uns den Weg abschnitt und Rohat mitnahm. Ich konnte überhaupt nichts tun. Dann bin ich zum Justizgebäude gefahren. Dort konnte ich ihn kurz sehen. Er sagte: ‚Macht die Hochzeit, als ob ich da wäre.‘ Das haben wir dann auch getan.“

Die Hochzeitsfeier sei trotzdem schön gewesen, meint Sara, die jetzt ungeduldig auf den ersten Besuchstag im Gefängnis wartet: „Sobald es möglich ist, werde ich ihn besuchen, schließlich will er bestimmt wissen, wie die Hochzeit gelaufen ist.“

Alle Familienmitglieder der Reihe nach im Gefängnis

Auch Saras Schwiegermutter Şükran Akboğa stand schon einmal wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation vor Gericht. Sie wurde freigesprochen. Wie sie erzählt, sind bereits alle Familienmitglieder aus politischen Gründen angeklagt worden. Da fast immer jemand im Gefängnis war, war die Familie zuletzt vor 15 Jahren vollständig versammelt.

Von den Erlebnissen ihrer Familie erzählt Şükran Akboğa: „Mein ganzes Leben hat vor den Gefängnistoren stattgefunden. Mein Mann war acht Jahre im Gefängnis. Als mein ältester Sohn gerade vor einem knappen Jahr aus dem Gefängnis entlassen worden war, wurde mein anderer Sohn Welat ins Gefängnis von Amed gesteckt. Meine Tochter hat dreieinhalb Jahre im Gefängnis von Mêrdîn verbracht, weil sie an einer Demonstration teilgenommen hat. Dann ist mein mittlerer Sohn Şiyar wegen unwahrer Behauptungen zu 15 Jahren verurteilt und in das weit entfernte Gefängnis von Bandirma verlegt worden. Eine Woche vor der Hochzeit meiner Tochter Zozan haben polizeiliche Sondereinheiten wegen einer angeblichen Anzeige unsere Wohnung überfallen und alle Anwesenden festgenommen. Die Anschuldigung erwies sich als falsch und wir wurden wieder freigelassen. Welat und Yaşar sind gerade erst aus dem Gefängnis gekommen, da haben sie diesmal Rohat verhaftet. Gegen mich wurde einmal ein Verfahren eingeleitet, weil ich traditionelle Kleider angezogen habe. Ich wurde jedoch freigesprochen. Geht es um Wohnungsdurchsuchungen, steht unsere Wohnung immer ganz oben auf der Liste. Wir sind umgezogen, aber dadurch hat sich nichts geändert. Die Polizei kommt immer wieder. Meine ganze Familie wird der Reihe nach ins Gefängnis gesteckt.“

Kein Handlungsspielraum bei „Beleidigung des Staatspräsidenten“

Rohats Bruder Ramazan Akboğa erzählt, wie die Familie nach der Festnahme von Rohat den Staatsanwalt um eine zweitägige Fristverlängerung für die Hochzeit gebeten habe. „Der Staatsanwalt erklärte jedoch, dass er nichts tun könne, weil es sich um den Straftatbestand ‚Beleidigung des Staatspräsidenten‘ handele. Er hat uns unfreundlich herausgeworfen. Die Staatsanwälte und Richter haben in solchen Fällen selber Angst. Es herrscht Ausnahmezustand, da kann kein Richter Gewissensentscheidungen treffen.“