Überlebende der Massaker von Cizîr soll abgeschoben werden

Die politische Aktivistin, ehemalige Gefangene und Überlebende der Massaker von Cizîr, Nazdar Ecevit, soll in die Türkei abgeschoben werden. Ein erster Abschiebeversuch scheiterte am öffentlichen Druck. Die Gefahr besteht jedoch weiter.

Nazdar Ecevit kam im Jahr 2016 nach Deutschland und stellte einen Asylantrag. Obwohl sie massiver politischer Verfolgung durch den türkischen Staat ausgesetzt ist, wurde ihr Asylantrag sowie ihr Folgeantrag abgelehnt. Sie ist gezwungen, in einem Flüchtlingslager bei Kassel zu leben. Am frühen Mittwochmorgen drang die Polizei in ihre Unterbringung ein und brachte sie ins Abschiebegefängnis am Frankfurter Flughafen. Von dort sollte sie am Donnerstag abgeschoben werden. Aufgrund des öffentlichen Drucks, ihres Widerstands und der Interventionen von Politiker*innen wurde die unmittelbar bevorstehende Abschiebung abgebrochen und Ecevit zurück ins Lager gebracht.

Ecevits Geschichte ist eine Verfolgungsgeschichte

Vor dem Hintergrund von Ecevits Verfolgungsgeschichte erscheint die Ablehnung des Asylverfahrens der Politikerin wie ein Geschenk an das AKP/MHP-Regime. Die junge Frau hat bereits fünf Jahre und vier Monate in türkischen Gefängnissen verbracht und wurde verletzt, als sie Verwundete während der Massaker in Cizîr (tr. Cizre) im Jahr 2015 und 2016 aus den Trümmern der vom türkischen Militär zerstörten Stadt zu bergen versuchte.

Ecevit schrieb ihre Erlebnisse mit den Worten nieder: „Ich bin 2016 illegal nach Deutschland gekommen. Seit dem Jahr 2005 war ich politisch aktiv. Aufgrund meiner politischen Arbeit in der DTP, BDP und HDP wurde ich häufig festgenommen oder verhaftet. Schließlich wurde ich bei den am Anfang des ‚Friedensprozesses‘ stattfindenden KCK-Operationen inhaftiert und war für 5 Jahre und 4 Monate in Haft. Nach einem langwierigen Haftverfahren wurde ich aus Mangel an Beweisen freigelassen, aber trotzdem verurteilte mich das Gericht.

Erdoğan versuchte, uns mithilfe der türkischen Gerichte einzuschüchtern, wir waren keine Kriminellen, wir waren nur Geiseln. Nachdem ich aus dem Gefängnis entlassen wurde, gingen Repression und Einschüchterung weiter. Ich arbeitete für die HDP. In dieser Zeit fand das Massaker von Cizîr statt. Jugendliche, Frauen und Kinder wurden auf den Straßen umgebracht. Die Friedensdelegation, zu der auch ich gehört, wurde von Regierungstruppen mit einem Kugelhagel empfangen. Die Bilder davon sind ebenfalls verfügbar. Ich überlebte verletzt, aber Freundinnen und Freunde neben mir starben. Unser Ziel war es, Zivilisten zu retten, aber die Regierung wollte, dass nicht ein einziges Lebewesen überlebt. Die Häuser meiner Familie und hunderter weiterer Familien in Cizîr wurden zerstört und verbrannt. Ich habe dieses Massaker, das der türkische Staat vor den Augen der ganzen Welt begangen hat, überlebt. Aber mir blieb keine Möglichkeit, dort weiterzuleben. Deswegen mussten hunderte Menschen, so auch ich, das Land verlassen.“

Nacktdurchsuchung durch deutsche Polizei

Zum Asylverfahren in Deutschland sagt sie: „Deutschland sah das, was ich erlebt habe, als nicht ausreichend an und meint offensichtlich ich solle sterben oder ins Gefängnis. Sie haben mir das Recht auf Asyl abgesprochen. Es ist auch wirklich bedenklich, das Deutschland die Praxis der Nacktdurchsuchungen und die entwürdigenden Praktiken aus den türkischen Gefängnissen selbst umsetzt. Sie haben mich dieser Praxis hier unterzogen. Obwohl die Haltung der Türkei zu den Menschenrechten mehr als deutlich ist, will Deutschland mich diesem Staat ausliefern Das widerspricht internationalen Konventionen.“