Keine Rückkehr der Vertriebenen ohne Ende der Besatzung

Menschenrechtler:innen in Rojava haben gegenüber ANF ihre Einschätzung zu der im Abkommen zwischen den QSD und der Übergangsregierung festgehaltenen sicheren Rückkehr der Vertriebenen in die jeweiligen Heimatregionen abgegeben.

Leben im besetzten Gebiet

Ibrahîm Şêxo, Vertreter der Menschenrechtsorganisation „Rêxistina Mafên Mirovan li Efrînê-Sûriye" (RMME), die Efrîn-Vertriebene Şîrîn Reşît und der Rechtsanwalt Ciwan Iso, Mitglied des Vertriebenen-Komitees Serêkaniyê, sprachen mit ANF über die Rückkehrmöglichkeiten der Vertriebenen in ihre Heimatregionen.

Mitte März hatten der QSD-Generalkommandant Mazlum Abdi und der syrische Interimspräsident Ahmed al-Scharaa ein Abkommen zur Zukunft Syriens unterzeichnet. Die Vereinbarung umfasste neben der Garantie der Selbstvertretung aller syrischen Volksgruppen in den politischen Prozessen und staatlichen Institutionen, der Ablehnung von Hassreden und einem Waffenstillstand in ganz Syrien, auch die sichere Rückkehr der zwangsweise vertriebenen Menschen in ihre Heimatregionen.

Ibrahîm Şêxo, Şîrîn Reşît und Ciwan Iso machten gegenüber ANF deutlich, dass die Menschen, deren Land besetzt wurde, ein Ende der Besatzung und die Rechenschaft für die begangenen Verbrechen fordern.

Viele Fragen noch offen

Ibrahîm Şêxo von der Menschenrechtsorganisation RMME sagte: „Die Gespräche über die Rückkehr unserer vertriebenen Bürger:innen dauern an. Es ist sehr wichtig, dass die Sicherheit bei der Rückkehr gewährleistet wird, und dafür trägt die syrische Übergangsregierung die Verantwortung.“ Der Präsident der Regierung in Damaskus hatte auch bei einem Besuch in Efrîn erklärt, dass die Menschen sicher in ihre Heimat zurückkehren würden. „Dennoch sind viele Fragen offen geblieben. Wie wird die Rückkehr erfolgen? Wie wird die Sicherheit gewährleistet werden?“, bekundete Şêxo seine Zweifel.


Andauernde Gewalt in den besetzten Gebieten

Der türkische Staat, der seit 2016 syrische Gebiete besetzt hält, begeht in diesen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 2016 wurden al-Bab, Azaz und Jarablus besetzt, 2018 Efrîn (Afrin), 2019 Girê Spî (Tall Abyad) und Serêkaniyê (Ras al-Ain) und schließlich im Jahr 2024 Minbic (Manbidsch). Ciwan Iso betonte, dass Massaker, demografische Veränderungen, Folter und Entführungen andauerten. Durch illegitime Institutionen setze der türkische Staat seine Politik des Völkermords in den besetzten Gebieten fort. Obwohl die Bevölkerung nach dem Sturz des Baath-Regimes Hoffnung auf Wandel geschöpft hätte, verbesserte sich die Situation in diesen Gebieten nicht.


Übergangsregierung toleriert Massaker und Angriffe

Auch Şîrîn Reşît, die aus Efrîn vertrieben wurde, sagte: „In ganz Syrien herrschen großes Chaos und eine tiefe Krise. Das freie Zusammenleben der Völker ist eine der Grundforderungen der Menschen in Syrien. Die Menschen wollen nach Efrîn, Girê Spî und Serêkaniyê zurückkehren und friedlich in ihren Häusern leben. Wenn wir jedoch die Entscheidungen und Handlungen der syrischen Übergangsregierung beobachten, sehen wir, dass die Forderungen des syrischen Volkes nicht erfüllt werden.“ Immer noch würden Menschen wegen ihres Glaubens ermordet werden. Von einer solchen Regierung könne man nicht erwarten, dass sie Menschen sicher in ihre Regionen zurückbrächte. Um das Vertrauen in sie zu erlangen, müsste die Interimsregierung gegen die Massaker und andere Taten vorgehen, und auch die Täter vor Gericht stellen.


Notwendige Bedingung: Rückzug der Türkei und ihrer Söldner

Die drei waren sich einig, dass die Hindernisse für eine sichere Rückkehr nicht beseitigt sein werden, bis der türkische Staat sich und seine Söldner-Verbände aus den besetzten Gebieten zurückgezogen haben. Ibrahîm Şêxo sagte dazu: „Entführungen, Morde und Folter in den besetzten Gebieten gehen weiter. Kürzlich hörten wir, dass Menschen teils mit Waffen angegriffen wurden, weil sie die Flagge Kurdistans zeigten. Ist es möglich, unter der Herrschaft von Kräften zu leben, die die kurdische Kultur, Identität und Existenz leugnen?“

Es wurde festgestellt, dass eine sichere Rückkehr erst geschehen könne, wenn sich die entsprechenden Kräfte zurückgezogen hätten. Internationale Institutionen sowie die syrische Übergangsregierung seien für eine sichere Rückkehr verantwortlich. Doch ein bloßes Zurückziehen der Kräfte sei nicht ausreichend. Darüber hinaus sollten die Verantwortlichen von Verbrechen vor Gerichte gestellt werden, und die Rückkehrenden materiell unterstützt werden.