Im November zeigte der Fotograf und Filmemacher Joey Lawrence in der südkurdischen Stadt Silêmanî seine Fotografien aus dem Bildband „We came from Fire - Photographs of Kurdistan's Armed Struggle Against ISIS“. Das Werk enthält neben Porträts von kurdischen Kämpferinnen und Kämpfern aufschlussreiche Informationen zur Rolle der Kurden im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) sowie ein Reisetagebuch. Im Frühjahr 2015 reiste der gebürtige Kanadier zum ersten Mal nach Başûr (Südkurdistan) und von dort weiter nach Rojava, um Angehörige der PKK und YPG/YPJ zu dokumentieren. An der Frontlinie des Kampfes gegen den IS fotografierte er Frauen und Männer, um die Menschen in diesem Konflikt zu zeigen. Es sind ergreifende Aufnahmen, die in Kombination mit einem politisch-ereignisgeschichtlichen Überblick und intimen Tagebuchaufzeichnungen über persönliche Erfahrungen während der Arbeit als Fotograf im Krieg Aufschluss darüber geben, welche enorme Bedeutung der Widerstand dieser Menschen für den Rest der Welt hat.
Auch der für die Fotoausstellung gewählte Ort hat eine besondere Bedeutung – in vielerlei Hinsicht: Amna Suraka ist das ehemalige Hauptquartier der Mukhabarat, Saddam Husseins Geheimdienst, und ein Foltergefängnis unter Ali Hassan al-Majid („Chemie-Ali“). Diese Sicherheitsfestung wurde 1979 mit Hilfe der DDR erbaut. Tausende vorwiegend kurdische politische Gefangene, die sich gegen das Baath-Regime auflehnten, wurden hier gefoltert, vergewaltigt und ermordet. Für die Kurden im Süden ist Amna Suraka ein Synonym für den Tod. Die Gräueltaten, die in Amna Suraka stattfanden, spielten eine aktive Rolle im Versuch, die kurdische Identität auszulöschen und die Kultur zu deformieren. Der richtige Ort also, Bilder derer zu zeigen, die Widerstand gegen die ideologischen Gleichgesinnten leisten, um das Menschenleben zu verteidigen. Jetzt ist eine Dokumentation zur Entstehung der Fotoausstellung in Amna Suraka erschienen.
Labyrinthartiges Gefängnis erbaut unter DDR-Beratung
Amna Suraka bedeutet wörtlich „rote Sicherheit", was auf die roten Gefängnismauern zurückzuführen ist. Der Gebäudekomplex wurde 1979 unmittelbar nach Gründung der Islamischen Republik Iran von Saddam Hussein in Auftrag gegeben und nach deutschem Vorbild aus der DDR gebaut. Das Gebäude wurde so angelegt, dass es einem Labyrinth gleichen sollte. Selbst wenn man es aus seiner Zelle schaffte, sollte man den Weg in die Freiheit nicht finden. Dies gelang vor allem durch sehr viele Türen und kleine Flure. Ab 1984 wurde das Foltergefängnis in voller Kapazität genutzt. 1991 wurde es während dem kurdischen Aufstand – Raperîn – von den Peschmerga eingenommen und die Gefangenen befreit.
Bis 1996 wurde das Gelände zum Zufluchtsort für vertriebene Familien aus der Stadt Kerkûk (Kirkuk). Seit 2003 ist Amna Suraka ein Museum und erinnert an die Verbrechen des Regimes von Saddam Hussein – dank des Einsatzes von Hero Ibrahim Ahmad, der Leiterin des Politbüros der YNK (Patriotische Union Kurdistans). Der ursprüngliche Zustand des Gefängnisses wurde weitgehend belassen, die Fassaden sind mit Einschusslöchern übersät: Spuren der Befreiung. Alltagssituationen in dem Folterkeller werden mit symbolischen Rekonstruktionen veranschaulicht. Hinter Glas sind an Wänden Übersetzungen von Botschaften zu lesen, die Insassen in die Wände geritzt haben. Letzte Worte, die mahnen, aber auch Gedichte.
Ein besonders eindrucksvolles Mahnmal im Museum Amna Suraka ist „Die Halle der Spiegel“ – ein langer Flur mit 182.000 Scherben an den Wänden. Jede Scherbe symbolisiert einen Menschen, der bei der Anfal-Opferation ums Leben kam. Jeder Stern im „Lampenhimmel“ steht für eines der ausgelöschten Dörfer.
Foto: Feministische Kampagne „gemeinsam kämpfen”
IFA-Militärlaster aus der DDR im Garten der Gedenkstätte
Unter dem Namen „Anfal-Operation” hat das irakische Baath-Regime zwischen 1986 und 1989 eine Reihe von Angriffen auf die kurdische Bevölkerung und andere Minderheiten wie die Assyrer, Aramäer und Chaldäer in den ländlichen Regionen des Nordiraks durchgeführt. Anfal bedeutet übersetzt „Kriegsbeute“ und bezieht sich auf die achte Sure des Koran, welche eine strategische Kriegshandlung gegen Ungläubige beschreibt. 1988 erreichte die Operation ihren Höhepunkt. Innerhalb von nur sechs Monaten wurden etwa 182.000 Menschen getötet, mehrere Millionen verletzt, vertrieben und in Konzentrationslagern dem qualvollen Tod durch Hunger und mangelnde Pflege überlassen. Über 4.000 Dörfer, 1.800 Schulen, 300 Krankenhäuser, 3.000 Moscheen und 27 Kirchen wurden dem Erdboden gleichgemacht.
Von den IFA-Militärlastern, die dem Saddam-Regime aus der DDR geliefert wurden, stehen noch einige auf einer Wiese der Gedenkstätte. 1988 wurden mit ihnen in Samarra Giftgaskanister aus Produktionsstätten zu den Flugzeugen transportiert, die sie dann über den Dörfern in Südkurdistan abwarfen. Mindestens fünf deutsche Firmen waren an der Giftgasproduktion beteiligt.
Joey Lawrence
Der 1989 im kanadischen Ontario geborene Profifotograf und Regisseur Joey Lawrence ist besser bekannt unter seinem Künstlernamen Joey L. und lebt aktuell in Brooklyn / New York. Sein Interesse an der Fotografie begann bereits im Alter von sieben Jahren. Sein Vater gab ihm seine Point-and-Shoot-Kamera, mit der er erste Fotos seiner Dinosaurier-Spielzeuge machte. Was spielerisch begann, wurde schnell zur großen Leidenschaft.
Im Alter von 18 Jahren begann er, professionell zu arbeiten. Zu seinen Kunden gehören unter anderem Lavazza, National Geographic Channel, die US-Armee, Canon, Jose Cuervo, Summit Entertainment und History Channel, aber auch die Regierung von Abu Dhabi und viele andere.
Lawrence hat auch eine Reihe von bekannten Gesichtern fotografiert, darunter Robert De Niro, Danny DeVito, John Green und die Sportlerin und zweimalige Olympiasiegerin Gabby Douglas, um nur einige zu nennen. Seine Arbeiten sind regelmäßig in Zeitschriften, U-Bahn-Werbung und auf Werbetafeln zu sehen.
Die ANF-Redaktion empfielt an dieser Stelle seine Dokumentationsfilme Born From Urgency - Faces from the Frontline Against ISIS und Guerrilla Fighters of Kurdistan.