„Im Widerstand gegen den Faschismus“

Zum Tag der Befreiung wurden an verschiedenen öffentlichen Orten deutschlandweit einige Fotos und Kurzbiographien von Widerstandkämpfer*innen als Spuren hinterlassen. Die Kampagne RiseUp4Rojava erzählt ihre Geschichten.

Viele Tausend Menschen haben sich aktiv gegen den Faschismus in Deutschland gestellt und tun es noch heute. Doch im offiziellen staatlichen Gedenken an den Widerstand kommen nur einige wenige wie der Hitler-Attentäter Stauffenberg oder die Geschwister Scholl vor. Gerade der Widerstand von Sozialist*innen, Anarchist*innen, Jüd*innen, Sinti und Roma, Gewerkschafter*innen und vielen anderen ist oft unsichtbar. Die Kampagne RiseUp4Rojava will sie aus Anlass des 8. Mai in Erinnerung rufen, ihnen ein Gesicht geben und ihre Geschichten kennenlernen.

„Faschismus und Rassismus sind keine Themen der Vergangenheit. Die rassistischen Morde in Hanau oder zuletzt in Celle sind Ausdruck davon. Spätestens mit dem NSU wurde klar, dass der deutsche Staat nach wie vor eine aktive Rolle spielt. Den Widerstand gegen den Faschismus sichtbar zu machen, bedeutet für uns auch den Widerstand im Hier und Jetzt zu verbreiten.

Zum Tag der Befreiung wurden an verschiedenen öffentlichen Orten deutschlandweit einige Fotos und Kurzbiographien von Widerstandkämpfer*innen als Spuren hinterlassen. Unsere Kämpfe stehen in der Tradition der Kämpfenden vor uns.“ 

Eine kleine Auswahl:

Olga Benario (12. Februar 1908 - 23. April 1942)

Olga Benario war jüngstes Kind einer jüdischen Anwaltsfamilie aus München. Da sie schon sehr jung politisch und gesellschaftlich interessiert war, gab der Vater ihr Anwaltsakten über verurteilte Linke zu lesen. Damit wurde der Grundstein für ihre politische Weltanschauung gelegt. Sie war Mitglied der Kommunistischen Jugendgruppe in Schwabing, ging 1925 nach Berlin, wo sie für den KJVD in Neukölln und für die KPD arbeitete. Benarios Lebensgefährte Otto Braun wurde des Hochverrats und der Spionage angeklagt und inhaftiert. Nach KPD-Angaben führte Olga Benario seine vom KPD-Nachrichtendienst organisierte bewaffnete Befreiungsaktion an. Beiden gelang die Flucht durch die damalige Tschechoslowakei nach Moskau. In Moskau erhielt Benario eine militärische Ausbildung. 1931 trennte sie sich von Otto Braun und reiste zu einer Mission als „Eva Krüger“ nach Paris. Sie wurde verhaftet und wieder freigelassen, anschließend ging sie über Belgien nach England, wo man sie erneut verhaftete. Im Auftrag der Komintern wurde Benario als die Leibwächterin des brasilianischen Hauptmanns Prestes nach Brasilien gesandt, welcher die Leitung eines sich vorbereitenden Aufstandes der Aliança Nacional Libertadora (ANL) gegen die autokratische Regierung von Vargas übernehmen sollte. Der Aufstand vom 27. November 1935 schlug fehl, da die Unterstützung der Bevölkerung überschätzt wurde und die Regierungstruppen offenbar durch Verrat informiert waren. Benario und Prestes tauchten unter und eine Verfolgungswelle gegen Linke setzte ein; es gab zahlreiche Tote, Tausende kamen in Gefängnisse. 1936 wurde auch Benario verhaftet und nach Deutschland ausgewiesen. Nach einiger Zeit im Frauengefängnis Barnimstraße in Berlin wurde sie in das KZ Lichtenburg und danach in das KZ Ravensbrück verlegt. Benario wurde 1942 zusammen mit anderen Häftlingen des KZ Ravensbrück in der Tötungsanstalt Bernburg vergast.

Cora Berliner (23. Januar 1890 - 1942)

Cora Berliner studiert Mathematik und Staats- und Rechtswissenschaft in Berlin und Heidelberg und promoviert 1916. Bis 1919 ist sie Angestellte der Stadtverwaltung Schöneberg, daneben Dezernentin, später Geschäftsführerin und Vorstandsvorsitzende beim „Verband jüdischer Jugendvereine” in Heidelberg. Als Angestellte des Reichswirtschaftsministeriums tritt sie in den Staatsdienst ein, wird 1923 Regierungsrätin und Leiterin im Reichswirtschaftsamt, 1927 geht sie als Beraterin in der Wirtschaftsabteilung der deutschen Botschaft nach London und wird 1930 Professorin für Wirtschaftswissenschaften am Berufspädagogischen Institut in Berlin. 1933 wird Cora Berliner aus dem Staatsdienst entlassen und arbeitet anschließend für die Reichsvertretung der deutschen Juden/Reichsvereinigung der Juden in Deutschland unter anderem als Leiterin der Auswanderungsabteilung und kümmert sich – als stellvertretendes Vorsitzende des Jüdischen Frauenbundes – besonders um die Auswanderung von Mädchen und Frauen. Sie setzt sich für die Errichtung des Jüdischen Seminars für Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen ein, für das jüdische Fürsorgewesen und die berufspolitischen Interessen der Fürsorgerinnen. Am 24./26. Juni 1942 wird Cora Berliner mit dem „Straftransport” vermutlich ins weißrussische Minsk deportiert und in dem zwölf Kilometer entfernten Vorort Maly Trostinez ermordet.

Hans Neumann

Franz Jacob (9. August 1906 - 18. September 1944)

Franz Jacob, 1906 in Hamburg geboren, wächst in einer Arbeiterfamilie auf und wird Maschinenschlosser. 1920 schließt er sich der Sozialistischen Arbeiterjugend und der SPD an, tritt aber 1925 dem Kommunistischen Jugendverband und der KPD bei. 1932 ist er für die KPD jüngstes Mitglied in der Hamburger Bürgerschaft. Mitte August 1933 wird Jacob in Berlin festgenommen und nach der Verbüßung einer Zuchthausstrafe von 1936 bis 1940 im KZ Sachsenhausen festgehalten. Unmittelbar nach seiner Entlassung nimmt er Verbindung zu seinen politischen Freunden auf. Er findet Arbeit auf einer Werft und gehört bald zum Führungskern der Organisation um Bernhard Bästlein. Als im Oktober 1942 eine Verhaftungswelle in Hamburg beginnt, taucht Franz Jacob in Berlin unter und baut seit 1943 mit Anton Saefkow eine neue Widerstandsorganisation auf. Die Widerstandsorganisation um Anton Saefkow und Franz Jacob orientiert sich wiederholt an den Rundfunksendungen des Nationalkomitees „Freies Deutschland“. Verbindungsleute gibt es in Betrieben, in denen illegale Arbeitergruppen bestehen. Ebenso wichtig sind aber Einzelne, die Verbindungen zu anderen Widerstandsgruppen im Reich halten, Verfolgten mit Lebensmittelkarten oder Ausweisen helfen und Kontakt zu Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeitern herstellen. Saefkow will mit seinen Freunden eine möglichst breite Basis für den Widerstand gegen Hitler schaffen. Die Organisation um Saefkow, Jacob und Bästlein ist sich bewusst, dass nicht alle „Soldaten des Klassenkampfes“ gewonnen werden können. Sie erkennen die Grenzen des Widerstands: Viele Arbeiter sind nicht willens, sich gegen das NS-Regime zu erheben. Daher sollen nur kleine und besonders zuverlässige „Kadergruppen“ eine angemessene Vorbereitung auf den Tag des Umsturzversuches gewährleisten. Die Bildung von Betriebsgruppen soll vor allem der „Mobilisierung von Kräften“ dienen. Gemeinsam mit Anton Saefkow wird Franz Jacob Anfang Juli 1944 festgenommen, am 5. September 1944 durch den Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 18. September 1944 in Brandenburg-Görden ermordet.

Liane Berkowitz (7. August 1923 - 5. August 1943)

Liane Berkowitz wird am 7. August 1923 in Berlin als Tochter des aus der Sowjetunion geflohenen russischen Kapellmeisters Viktor Wasiljew geboren. Nach dem Tode ihres Vaters wird sie 1930 von Henry Berkowitz adoptiert, der nach seiner Ehescheidung 1939 ins Ausland emigriert. Liane Berkowitz spricht fließend Russisch und besucht die Heilsche Abendschule. Sie lernt Fritz Thiel und ihren späteren Verlobten Friedrich Rehmer kennen, mit denen sie an den Schulungszirkeln von John Graudenz teilnimmt. Liane Berkowitz beteiligt sich mit Otto Gollnow an der Zettelklebeaktion vom 17./18. August 1942 gegen die antisowjetische Propagandaausstellung "Das Sowjetparadies". Am 26. September 1942 wird sie verhaftet und am 18. Januar 1943 vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt. Im Berliner Frauenstrafgefängnis Barnimstraße bringt sie am 12. April 1943 ihre Tochter Irene zur Welt. Sie wird ab Juli 1943 von der Großmutter betreut und fällt im Oktober 1943 vermutlich einer NS-Krankenmordaktion im Krankenhaus Eberswalde zum Opfer. Liane Berkowitz wird am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee ermordet. Zuvor hat Adolf Hitler am 21. Juli 1943 persönlich die Gnadensuche von 17 Mitgliedern der Berliner Roten Kapelle abgelehnt. Selbst das Reichskriegsgericht hat ihm empfohlen, die 22-jährige Keramikerin Cato Bontjes van Beek und die 19-jährige Schülerin Liane Berkowitz zu begnadigen. Hitler lehnt dies ausdrücklich ab und lässt seine Entscheidung vom Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel, gegenzeichnen.

Fritz Scherer (13. Mai 1903 – 18. Juni 1988)

Fritz Scherer war ein anarchistischer Wanderarbeiter und Buchbinder aus Berlin. In den 1920er Jahren war er Mitglied der Anarchistischen Vereinigung Berlin und in der Freien- Arbeiter-Union Deutschland (FAUD). Er verteilte dabei auch die anarchosyndikalistische Wochenzeitung Der Syndikalist, die eine der wichtigsten Presseorgane der deutschen anarchosyndikalistischen Bewegung war. Er lebte kurze Zeit in der anarchosyndikalistischen Bakuninhütte bei Meiningen in Thüringen. Anfang der 1930er Jahre lebte er in Berlin, wo er nach der Machtergreifung der Faschisten wegen „staatsfeindlicher“ Flugblätter und aufgrund seiner antifaschistischen Haltung und Aktionen mehrmals von der Gestapo verhaftet wurde. Fritz Scherer schrieb antifaschistische Gedichte und sammelte anarchistische Klassiker, die in politisch unverdächtige Einbände gefasst, die politische Zensur überstanden und in späteren Jahren die Grundlage für zahlreiche Neuauflagen in Westdeutschland bildeten. Er starb 1988 in Berlin.

Almuth Sarah Handelmann (25. November 1985 – 7. April 2019)

Sarah Handelmann ist eine deutsche Internationalistin, die letztes Jahr im April als Guerillakämpferin der Frauenguerilla YJA-Star bei einem türkischen Luftangriff auf die Medya- Verteidigungsgebiete in Südkurdistan ums Leben gekommen ist. Für sie war und ist der Kampf gegen Faschismus und für Befreiung immer international, weil auch der Faschismus keine Grenzen kennt. Sie hat in ihrer politischen und künstlerischen Arbeit immer versucht, verschiedene soziale Kämpfe aus der Isolation zu holen, sie aufeinander zu beziehen und einen neuen Internationalismus zu leben. Über die Dreharbeiten der Dokumentation „Xwebûn“ zu der autonomen Frauenarbeit in Bakûr ist sie 2016 zur kurdischen Freiheitsbewegung gestoßen. 2017 trat sie der Bewegung bei und traf ihre Entscheidung, in die Berge Kurdistans zu gehen, um das Leben mit der Waffe in der Hand zu verteidigen.