Bewaffnete Gruppe der AKP in Kerkûk

In vergangener Zeit berichtete die südkurdische Presse immer wieder über eine von der Regierung der Türkei aufgebaute, bewaffnete und bezahlte Miliz unter dem Dach der Turkmenischen Front (ITC). Worum handelt es sich dabei?

Nach Medienberichten hat die türkische AKP-Regierung in den letzten beiden Wochen in der irakisch-kurdischen Stadt Kerkûk eine zur Turkmenenfront des Irak (ITC) gehörige bewaffnete Gruppe mit 500 bis 600 Mitgliedern gegründet. Es heißt, es lägen Dokumente vor, die belegen, dass die bewaffnete Gruppe im nordkurdischen Silopî ausgebildet worden sei und zwischen 400 und 700 Dollar pro Kopf erhalte.

Şiwan Dawudî, ein ehemalige Parlamentarier der Patriotischen Union Kurdistans (YNK), und Xalid Şwani als Mitglied des YNK-Vorstand, haben dazu eine Erklärung abgegeben und gleichzeitig die Dokumente an die irakische Regierung weitergeleitet.

In der Woche, in der sie diese Erklärung abgaben, detonierten in Kerkûk nacheinander Sprengsätze. Vergangene Woche führte die türkische IYI-Partei eine Demonstration unter dem Motto „Kerkük ist türkisch und bleibt türkisch“ durch. Das ist kein Zufall. Die Realität ist, dass die Türkei oder besser Erdoğan und die AKP sowohl in Syrien als auch im Irak ihre eigenen bewaffneten Gruppen geschaffen haben. Warum gerade jetzt solche Erklärungen abgegeben werden, ergibt sich aus den stattfindenden Entwicklungen. Auf dem NATO-Gipfel wurde die Lage von Kerkûk behandelt. Aus dem Treffen sickerten Informationen durch, dass in Kerkûk NATO-Truppen stationiert werden sollen und die Stadt unter den Schutz der NATO und der internationalen Koalition gestellt werden solle. Es deutet einiges darauf hin, dass Erdoğan versucht, Chaos in Kerkûk herbeizuführen, um entweder diese Entscheidung der NATO und der Koalition zu ändern oder selbst an der Operation teilzuhaben.

Die Hintermänner der Miliz und ihre Finanziers

Bereits Ende des Jahres 2011, schon vor Beginn des sogenannten „Arabischen Frühlings“, hat der türkische Staat mit dem Aufbau bewaffneter Gruppen insbesondere in Syrien und im Irak begonnen.

Zu Beginn des Jahres 2012 floh Tarik Hashimi, stellvertretender Staatspräsident des Irak und Vorsitzender der Islamischen Partei, um sich der Verantwortung für ein Massaker an Schiiten im Irak zu entziehen, nach Südkurdistan, von wo aus er an die Türkei weitergereicht wurde. Er besuchte ebenfalls Katar. Nachdem er den Irak verlassen hatte, begann sich der IS als mächtige Organisation zu zeigen. Irakische Gerichte verurteilten Hashimi in Abwesenheit zum Tode. Einige Zeitungen berichteten, es lägen ihnen Quittungen vor, die belegen, dass Hashimi 50 Millionen Dollar an den IS gezahlt habe. Im Jahr 2013 betrat der IS in Syrien die Bühne. Er war sowohl militärisch als auch organisatorisch stärker. 2014 besetzte der IS die Städte Anbar, Telafar und Mosul. Der damalige Gouverneur von Mosul, Esil Nuceyfi, überließ Mosul dem IS und floh nicht in seine Heimat, sondern in die Türkei zu Erdoğan. Auch als der irakische Bundesgerichtshof einen Haftbefehl gegen Nuceyfi ausstellte, wurde er nicht an den Irak ausgeliefert. Er blieb gemeinsam mit Hashimi bei Erdoğan. Der Plan, nach Mosul auch Şengal dem IS zu überlassen, wurde in Amman geschmiedet. In gewissem Sinne wurden die Pläne, die Hashimi entworfen hatte und vom IS umgesetzt werden sollten, Realität. Die Rolle der Umsetzung und Koordinierung des Plans maß Hashimi Erdoğan und der AKP zu. Wenn Hashimis Pläne Erdoğan und der AKP nicht gepasst hätten, hätten sie nicht in Kauf genommen, sich alle Schiiten zum Feind zu machen und Hashimi nicht bei sich aufgenommen.

Während der IS im Irak weite Gebiete besetzte, entsandte der türkische Staat militärische Kräfte nach Başika bei Mosul. Dieser Aufmarsch führte zu einer ernsthaften Krise zwischen dem Irak und der Türkei. Die türkische Regierung blieb bei ihrer Behauptung, dort nur Ausbildung durchzuführen. Mittlerweile ist auch klar, wen sie dort eigentlich ausgebildet haben. Während der Irak zum Kampf gegen den IS die Miliz Hashd al-Shaabi organisierte, bildete die Türkei mit ihren Kräften in Başika eine Organisation mit dem Namen Hashdi-Vatani aus. Allerdings stellt Hashdi-Vatani eine Art offizielle Form des IS und von al-Qaida dar. Nach einer Weile war von diesen Hashdi-Vatani, die von der Türkei ausgebildet wurden, nichts mehr zu hören. Es gab weder eine Auflösungserklärung noch eine Erklärung über ihren Fortbestand.

Die jetzt in Kerkûk in Erscheinung getretene bewaffnete Gruppe ist eine dieser Gruppen. Allerdings nicht nur das, man muss wissen, dass es im Irak und Başur viele bewaffnete Gruppen gibt, die sich unter dem Namen Hashdi-Vatani organisiert haben. Im Moment werden sie in Kerkûk dechiffriert. Mit der Zeit werden alle diese Gruppen und ihr Hintergrund enthüllt werden.

Nachdem sich der IS Syrien zugewandt hatte, nahm er erneut viele Städte im Irak ein. Nach der Besetzung von Mosul und Şengal rückte er auf Hewlêr und Kerkûk vor. Aber die internationalen Kräfte ließen einen IS-Einmarsch nach Hewlêr und Kerkûk nicht zu. So konnte der IS nur bis Mosul und Şengal vorrücken. Natürlich hängt das nicht nur mit den internationalen Kräften zusammen. Dem IS, der auf gewisse Weise von Hashimi und Erdoğan kommandiert wurde, war nur die Einnahme von Şengal, Mosul und eines Teils von Kerkûk erlaubt worden.

Der IS wollte aber dennoch bis Kerkûk vorrücken. Das war eine Entwicklung außerhalb der Pläne, die zwischen den internationalen Kräften, Erdoğan und Hashimi geschmiedet worden waren und stellte einen Knackpunkt dar, an dem sich die Pläne Erdoğans und Hashimis von denen der internationalen Kräfte trennten. Aus diesem Grund hat der IS Kerkûk pausenlos angegriffen. Nach der Niederlage des IS in Raqqa hat Erdoğan seine Milizen, die wiederrum aus Resten des IS bestanden, mobilisiert. Es kam zum Massaker und der Besatzung von Efrîn. Als die Angriffe auf Efrîn begannen, wurde auch der in Kerkûk und den umstrittenen Gebieten stationierte Arm des IS mobilisiert und führte hunderte Angriffe durch. Dutzende wurden dabei getötet. Die zur Turkmenenfront des Irak (ITC) gehörende bewaffnete Gruppe Erdoğans legt offen, welche Elemente innerhalb des IS in Kerkûk organisiert worden sind. Dass es sich dabei um vollkommen von Hashimi und Erdoğan organisierte Gruppen handelt und diese je nach Zeitpunkt anders benannt werden, ist damit deutlich geworden.

Was passiert jetzt?

Jetzt stellt sich die Frage, was passiert, nachdem diese von der Türkei gesteuerte bewaffnete Gruppe der ITC von Verantwortlichen der YNK aufgedeckt worden ist. Die Verantwortlichen der YNK haben erklärt, dass sie die entsprechenden Dokumente der irakischen Regierung übergeben haben. Die irakische Regierung hat bisher keinerlei offizielle Reaktion gezeigt. Allerdings ist diese Situation nicht auf den Irak beschränkt. Das internationale Recht verbietet es einem Land, in einem anderen Land bewaffnete Gruppen aufzubauen und sie zu bezahlen. Dies erfüllt den Tatbestand der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes und kann den Vorwurf des Imports von Terror in ein anderes Land mit sich bringen.

Es ist schwer abzusehen, in welche Richtung sich das Ganze entwickeln wird. Es sieht aber so aus, als ob die YNK nicht bereit wäre, das Thema einfach fallen zu lassen. Ob man es will oder nicht, wenn es um Kerkûk geht, dann kommt die PDK auch mit ins Spiel. Das lässt sich unter anderem in den Medien beobachten. Nicht nur PDK und YNK, sondern auch die internationalen Mächte interessieren sich für Kerkûk. Deswegen werden die USA, England, Frankreich, der Iran und viele andere Länder das Thema auf ihre Tagesordnung nehmen. Alle haben ihre Interessen und Pläne mit dem Öl von Kerkûk.