Warum die Wahlen in der Kurdistan-Region im Irak verschoben werden
Die Parlamentswahlen in der Region Kurdistan im Irak sind ein weiteres Mal verschoben worden. Grund ist eine Anfechtungsklage von Premierminister Mesrûr Barzanî (PDK) vor dem irakischen Bundesgerichtshof gegen eine Änderung des Wahlgesetzes. Cemil Bayik, Ko-Vorsitzender des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans), hat sich gegenüber ANF zu der Frage geäußert, warum die Demokratische Partei Kurdistans (PDK) und der Barzanî-Clan gegen die Wahlen sind und welche Gefahren diese Politik für Südkurdistan und den Irak birgt:
Kollaboration mit der Besatzungsmacht
Die Barzanîs propagieren überall, dass die PKK den Status von Südkurdistan gefährde. Dabei sind es die Barzanîs selbst, die den Status Südkurdistans abschaffen. Sie haben ihr Schicksal vollständig an die AKP und die MHP gebunden. Wenn die Barzanîs wollen, dass die Wahlen verschoben werden, dann gibt es dafür einige wesentliche Gründe. Der erste ist ihr Verrat an den Kurdinnen und Kurden. Sie kollaborieren mit dem türkischen Staat, der Kurdistan besetzt und einen Völkermord begeht. Daher sind sie nicht nur feindlich gegenüber der PKK, sondern auch gegenüber dem kurdischen Volk. Die Zusammenarbeit mit dem türkischen Staat hat ihr wahres Gesicht offenbart, ihre Politik wird im kurdischen Volk angeprangert.
Abwärtstrend der AKP-Regierung
Der zweite Grund ist, dass die AKP-MHP durch die Kommunalwahlen in Nordkurdistan und in der Türkei einen schweren Schlag erlitten hat. Die Barzanîs sind noch stärker angeschlagen als die AKP, sie sind geschwächt. Deshalb wollen sie die Wahlen verschieben. Denn sie wissen, wenn es Wahlen gibt, werden sie genauso verlieren wie Erdogan. Sie haben ihre Schlüsse aus den Wahlen in der Türkei gezogen. Sie sehen, wenn jetzt gewählt wird, werden sie verlieren, sie werden die Macht verlieren. Und das wollen sie nicht, sie wollen die ihre gegenwärtigen Mittel nicht verlieren.
Es gibt keine Regierung in Südkurdistan
Im Moment gibt es in Südkurdistan keine Regierung. Die Familie Barzanî herrscht unter dem Namen der Regierung von Südkurdistan. Sie haben alles in den eigenen Dienst gestellt und betreiben Plünderung. So wie die AKP sich überall in Nordkurdistan und in der Türkei durch Ausplünderung bereichert, so plündern die Barzanîs auf die gleiche Weise im Süden. Sie haben Milliarden Dollar und besitzen Häuser in den USA und Villen am Goldenen Horn. Doch die Menschen in Südkurdistan hungern und werden von Tag zu Tag ärmer, während die Familie Barzanî von Tag zu Tag reicher wird. Und warum? Weil es keine Regierung gibt, es gibt keine Kontrolle über die Macht. Südkurdistan wird von den Barzanîs beherrscht, und sie machen, was sie wollen. Es gibt kein Gesetz, es gibt keine Gerechtigkeit. Wenn sie wirklich für das Kurdentum kämpfen würden, wenn sie sich für die Menschen in Südkurdistan einsetzen würden und Demokraten wären, warum verschieben sie dann die Wahlen? Wovor haben sie Angst? Sie haben Angst, weil sie etwas zu verbergen haben. Sie wollen ihre gegenwärtigen Möglichkeiten nicht verlieren. Deshalb wollen sie die Wahl verschieben.
Warten auf die türkischen Truppen
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf aufmerksam machen, dass sie nicht sagen, es solle gar keine Wahlen geben. Sie sagen, dass sie auf das Ende des Jahres verschoben werden sollen. Warum? Weil Erdogan eine Expansion auf weitere Gebiete in Südkurdistan ankündigt. Sie führen offensichtlich ein entsprechendes Programm durch und warten darauf, dass sich die türkischen Truppen in Südkurdistan ausbreiten. Wenn überall türkisches Militär präsent ist, wird die Möglichkeit von Wahlen verschwinden, und sie werden ihre Macht und Diktatur aufrechterhalten. So stellen sie es sich vor.
Barzanîs Kerker
So wie der Justizminister in der Türkei behauptet, dass es auf Imrali keine Isolation gibt und alles perfekt ist, sagen die Barzanîs: „In Südkurdistan funktioniert alles perfekt. In unseren Gefängnissen gibt es niemanden, dem seine Kommunikationsrechte vorenthalten werden.“ In Wirklichkeit gibt es Menschen, die niemand besuchen kann und zu denen es keinen Kontakt gibt. Selbst Anwältinnen und Anwälte werden daran gehindert, ihre Mandanten zu sehen. Es herrscht große Unterdrückung, die Menschen werden verfolgt.
Saddam wird durch den türkischen Staat ersetzt
Unser Volk in Südkurdistan hat einen hohen Preis gezahlt, in Behdînan und Soran gab es große Opfer. Tausende Peschmerga sind gefallen. Sie sind nicht gefallen, damit nach Saddams Sturz der türkische Staat in Südkurdistan an die Macht kommt. Wenn die Menschen in Südkurdistan gekämpft haben, wenn Tausende Peschmerga gefallen sind, wenn die Bevölkerung chemischen Angriffen ausgesetzt war, dann haben sie das getan, um die Diktatur loszuwerden und um in einer freien und demokratischen Weise zu leben. Aber wir sehen, dass die Familie Barzanî jetzt den türkischen Staat nach Südkurdistan bringt. Sie ersetzen Saddam durch den türkischen Staat. Was hat das mit dem Kurdentum zu tun? Warum sollten die Menschen in Südkurdistan das akzeptieren? Die Bevölkerung liebt ihr Land, sie hat sehr hart gekämpft und viele Menschen sind gefallen. Sie können diese Besetzung durch den türkischen Staat nicht akzeptieren. Ich bin davon überzeugt, dass die Bevölkerung Südkurdistans und insbesondere die Menschen in Behdînan die diktatorische Herrschaft der Barzanîs ablehnen und so schnell wie möglich in einer freien und demokratischen Gesellschaft leben wollen. Sie müssen ihre Geschichte, ihre Werte und ihren Status schützen. Die Barzanîs wollen den Status Südkurdistans an den türkischen Staat abtreten.
Die PKK schützt den Status Südkurdistans
Es ist die PKK, die den Status schützt. Im Moment ist es die PKK, die den Preis dafür zahlt. Die PKK hat viele Opfer erbracht und nicht nur für Südkurdistan, sondern auch für den Irak gekämpft. Das ist allgemein bekannt. Manche Leute sagen: „Die Barzanîs sind keine Verräter, sie haben auch Gefallene.“ Kein Peschmerga und auch kein Barzanî ist gefallen, damit die PDK dem türkischen Staat dient und Südkurdistan zu einer türkischen Provinz macht. Das muss man sich klarmachen. Wenn jemand anderes das tun würde, was die Barzanîs tun, würde er des Hochverrats beschuldigt werden. Manche nennen es nicht Verrat, weil sie Geld von den Barzanîs bekommen. Unser Volk muss an diesem Punkt sensibel sein. Wer nicht für die Freiheit von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] eintritt und für Kurdistan gegen den türkischen Staat und den Verrat aufsteht, liebt sein Land nicht. Kurdinnen und Kurden müssen Kriterien haben. Ihr Kriterium ist die Liebe zum eigenen Land. Diese Liebe bedeutet, sich gegen Besatzung und Verrat zu stellen.