Zum 8. März: Frauengeschichten aus dem Widerstand von Efrîn

Meryem Henen ist eine der Frauen aus dem Widerstand gegen die türkische Militärinvasion in Efrîn. Sie teilt ihre Lebensgeschichte in „vor Öcalan“ und „nach Öcalan“ auf.

Der Fokus des 8. März, der symbolisch für den Widerstand von Frauen steht, liegt in diesem Jahr auf dem Widerstand von Efrîn. Eine der Frauen, die sich aktiv daran beteiligt, ist die 63-jährige Meryem Henan. Sie unterteilt ihr Leben in „vor Öcalan“ und „nach Öcalan“. „Wir sind seine Schüler*innen und in Efrîn wird seine Philosophie gelebt“, sagt sie.

Der diesjährige internationale Frauenkampftag am 8. März wird wie jedes Jahr im Gedenken an den Widerstand von Frauen stattfinden. Im Widerstand von Efrîn schreibt jede Frau ihre eigene Kampfgeschichte. Seit 46 Tagen greifen der türkische Staat und seine dschihadistischen Milizen des IS und der al-Qaida den nordsyrischen Kanton an. Die Geschichten der Frauen, die Efrîn an und hinter der Front verteidigen, tragen das Erbe von Frauen wie Clara Zetkin in die Gegenwart.

Die Weltöffentlichkeit kennt diese Frauen seit Beginn der Revolution in Rojava vor allem durch ihren Kampf gegen eines der finstersten Gesichter des Patriarchats, den Islamischen Staat (IS). Jetzt kämpfen sie an allen Fronten gegen die Finsternis des türkischen Staates und seiner Milizen. Mit ihren verschiedenen Widerstandsformen stellen sie eine Hoffnung für Frauen weltweit dar.

Meryems Geschichte

Meryem ist Mitglied im Rat der Gefallenenfamilien. Sie ist eine von Dutzenden Frauen, die früher nur gelegentlich vorbeigekommen und heute ununterbrochen im Einsatz sind. Ihre Arbeit führt sie von der Leichenhalle zu den betroffenen Familien und zurück. Sie ist auch eine der Frauen, die den Repräsentanten der kurdischen Befreiungsbewegung, Abdullah Öcalan, kennengelernt und danach ihr Leben verändert haben.

 

1988 habe sie erstmalig von Öcalans Ideen erfahren, erzählt sie. 1991 sei sie dann in die Bekaa-Ebene im Libanon gefahren. „Ich lebte in Aleppo. Wir sprachen zwar kurdisch, aber unsere kurdische Identität war uns nicht bewusst. Damals kannte ich den Vorsitzenden noch nicht. Als ich nach Efrîn zu meiner Familie kam, hörte ich erstmalig von seinen Gedanken. Seine Freunde erzählten von ihm. Einer von ihnen hieß Selim, er erzählte, wie Öcalan lebt, was er denkt und was er will. Dann schloss sich mein Sohn dem Befreiungskampf an. Eines Tages kam er und sagte, er wolle sich der Partei anschließen. Ich hatte ja von nichts eine Ahnung und fragte, ob sie ihn bei der Partei für seine Arbeit bezahlen würden. Er sagte: „Mutter, ich gehe für mein Land kämpfen. Wenn ich fallen sollte, musst du den Kopf aufrecht halten.“ Ich war verblüfft und folgte ihm schließlich in den Libanon. Es war 1991 und spät in der Nacht. Der Vorsitzende hielt eine Versammlung mit Hunderten Menschen ab. Was er sagte, war beeindruckend. Danach war alles anders in meinem Leben. Ich verfolgte alles, was der Vorsitzende sagte und tat. Ich konnte zwar nicht lesen, aber ich ließ mir immer wieder von anderen von ihm erzählen.“

Als sie Öcalan das zweite Mal traf, habe sie sich lange mit ihm unterhalten, erzählt Meryem: „1994 in Aleppo kam ein Freund und sagte: ‚Ich bringe dich jetzt an einen Ort‘. Ich war sehr aufgeregt. Ich traf ihn und wir unterhielten uns lange. Er meinte, dass Frauen sich nicht an einen Mann binden sollten, damit sie frei bleiben können. Dann fragte er mich, ob ich Söhne und Töchter haben. Ich bejahte und er sagte, ich solle beide gleich behandeln und keinen Unterschied zwischen ihnen machen. ‚Du musst deine Töchter und Söhne gleich aufziehen‘, sagte er. Ich war erstaunt, denn bei uns werden Mädchen und Jungen nicht gleich erzogen. Während er erzählte, formten sich in meinem Kopf ganz neue Vorstellungen. Nach meiner Rückkehr ging ich zur Olivenernte. Normalerweise überließ ich den Haustürschlüssel immer meinem Sohn. Diesmal gab ich ihn meiner Tochter.“

Er ist nicht physisch bei uns, aber mit seiner Philosophie

Meryem kommt auf die Gegenwart und den Widerstand von Efrîn zu sprechen: „Der Vorsitzende ist vielleicht physisch nicht hier, aber er ist trotzdem bei uns. Seine Philosophie, seine Gedanken sind hier. Wir leisten mit der Kraft seiner Gedanken Widerstand gegen die türkischen Panzer, Raketen und Flugzeuge. Sieh dich um, hier sind 50, 60, 70 Jahre alte Frauen und ganz junge Mädchen. Wir sind ganz gewöhnliche Menschen, aber uns hält ein fester Wille auf den Beinen, der den Widerstand ausmacht. Wir sind die Schüler*innen des Vorsitzenden.“

Verteidigung beginnt mit Organisierung, nicht mit Bewaffnung

Gegen Ende unserer Unterhaltung sagt Meryem: „Wir kennen den Vorsitzenden, wir glauben an ihn, deshalb wissen wir uns zu verteidigen. Unsere Verteidigung basiert nicht auf unseren Waffen. Die Gegenseite verfügt über alle schweren Waffen, aber der Vorsitzende hat uns etwas noch stärkeres gegeben, nämlich unsere Organisierung. Verteidigung bedeutet, sich selbst zu schützen, die Menschen zu lieben, zusammen zu leben, als arabische, kurdische, turkmenische Menschen Schulter an Schulter zu kämpfen. Das ist es, was den Vorsitzenden ausmacht. Der heutige Angriff des türkischen Staates auf uns ist nichts anderes als eine Fortsetzung des internationalen Komplotts, mit dem unser Vorsitzender 1999 in die Türkei verschleppt wurde. Seine Philosophie werden sie damit jedoch nicht unterdrücken können. Mein Kind ist in Nordkurdistan gefallen. Heute fallen Revolutionäre aus Frankreich und Spanien, um Efrîn zu verteidigen. Kurden aus Rojhilat, Rojava, Bakur und Başur leisten vereint Widerstand in Efrîn. Zusammengebracht hat sie der Vorsitzende. Seine Philosophie ist weitreichend wie ein Ozean. Ich appelliere an alle Frauen weltweit, dass sie sich mit dem Gedanken des Vorsitzenden vertraut machen. Damit können sie sich befreien.“