Selbstverwaltung definiert rote Linien für Dialog mit Damaskus

Ilham Ehmed (DAANES) hat zentrale Eckpunkte für Gespräche mit Damaskus formuliert. Unverhandelbar seien kulturelle und sprachliche Rechte aller Bevölkerungsgruppen, Religionsfreiheit, politische Partizipation und ein dezentrales Regierungssystem.

Kritik an Verfassungsprozess in Damaskus

Ilham Ehmed, Ko-Vorsitzende des Außenkomitees der Demokratischen Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES), hat bei einem öffentlichen Dialogforum in Hesekê zentrale Eckpunkte für Gespräche mit der syrischen Zentralregierung formuliert. Der von zahlreichen Expert:innen und politischen Beobachter:innen besuchte Austausch stand unter dem Titel „Abkommen zwischen der Autonomieverwaltung und der syrischen Regierung“.

Ehmed betonte, dass jede Vereinbarung – ob auf regionaler oder nationaler Ebene – die Interessen der gesamten Bevölkerung Syriens berücksichtigen müsse. Voraussetzung dafür sei jedoch ein inklusiver Dialog über zahlreiche Unterpunkte, etwa die künftige Verfassung, Verwaltungsstrukturen und politische Rechte.

Kritik an Verfassungsprozess in Damaskus

Die derzeitige Ausgestaltung des Verfassungsprozesses in Damaskus sei nicht tragfähig, so Ehmed. Der aktuell vorliegende Verfassungsentwurf sei bereits vor Beginn der offiziellen Gespräche fertiggestellt worden und spiegele nicht die Realität der Gesellschaft Syriens wider. „Die Verfassungskommission repräsentiert nicht die Vielfalt des Landes“, erklärte sie. Daher müsse der Prozess dringend geöffnet und reformiert werden.

QSD als Stabilitätsgarant

Bezugnehmend auf die Rolle der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) unterstrich Ehmed, dass diese nicht nur militärisch, sondern auch politisch und verwaltungstechnisch eine stabilisierende Kraft in Syrien darstellten. Die QSD und die Autonomieverwaltung hätten in den letzten Jahren Erfahrungen in pluralistischer Verwaltung, Menschenrechten und partizipativer Politik gesammelt – ein Modell, das auf ganz Syrien übertragbar sei.

Die Gespräche zwischen Damaskus und der Autonomieverwaltung stehen demnach noch ganz am Anfang – doch mit klar definierten Prinzipien, offenen Verhandlungen und internationaler Unterstützung könnten sie eine tragfähige Zukunftsperspektive für ganz Syrien eröffnen. | Video: ANHA


Rote Linien: Selbstverwaltung, kulturelle Rechte, Gleichberechtigung

Besonders deutlich machte Ehmed die unverhandelbaren Grundsätze der Autonomieverwaltung. Dazu zählen: kulturelle und sprachliche Rechte aller Bevölkerungsgruppen, Religionsfreiheit, das Recht auf Bildung in der Muttersprache, politische Partizipation und ein dezentralisiertes Regierungssystem. „Diese Prinzipien sind nicht verhandelbar“, so die Außenbeauftragte. Auch Fragen der inneren Sicherheit und wirtschaftlichen Selbstverwaltung seien Teil dieser roten Linien.

Keine Rückkehr zu autoritären Strukturen

Ehmed sprach sich klar gegen eine Rückkehr zu zentralistisch-autoritären Modellen aus und forderte ein gerechtes, inklusives Regierungssystem jenseits von Nationalismus und Sektierertum. „Wir brauchen eine Ordnung, die die Rechte aller Menschen in Syrien schützt – unabhängig von Herkunft, Religion oder Geschlecht.“

Türkei, Waffenstillstand und regionale Stabilität

Bezüglich des angespannten Verhältnisses zur Türkei erklärte Ehmed: „Wir wollen keine Konfrontation, sondern Stabilität.“ Man sei offen für einen Dialog mit der Türkei und bemüht um ein Abkommen, das Sicherheit für beide Seiten bringe. In diesem Zusammenhang wies sie auf die Rolle der USA als Vermittlerin in der aktuellen Waffenruhe hin. Die Autonomieverwaltung hoffe, dass die Türkei und unter ihrer Kontrolle stehende Dschihadistenmilizen ihre Angriffe einstellen.

Rückkehr Geflüchteter und Verantwortung des syrischen Staates

Ein weiteres zentrales Thema war die sichere Rückkehr der Geflüchteten und Vertriebenen, insbesondere in die von der Türkei besetzten Gebiete wie Efrîn oder Serêkaniyê. „Wir fordern internationale Garantien und erwarten von der syrischen Regierung, dass sie Schutz und Eigentumsrechte der Rückkehrenden gewährleistet“, sagte Ehmed. Die Autonomieverwaltung stehe mit internationalen Akteur:innen in Kontakt, um dieses Anliegen voranzubringen.

Appell für politische Öffnung und echte Reform

Mit Blick auf die angestrebte politische Zukunft forderte Ehmed ein Ende des aktuellen Stillstands: „Die Bevölkerung Syriens kann sich keine weiteren Jahrzehnte des Aufschubs leisten. Wir stehen an einem historischen Scheideweg – und wir sind bereit, unseren Teil zur Lösung beizutragen.“