„Für diesen Fehler in meinem politischen Verantwortungsbereich bitte ich die Familie des Verstorbenen von ganzem Herzen um Entschuldigung“, sagte Innenminister Herbert Reul bei einer Sondersitzung des Innen- und Rechtsausschusses vergangenen Freitag zum Tod des 26-jährigen Schutzsuchenden Amad Ahmad aus dem nordsyrischen Efrîn. Der Kurde war mit einem in Hamburg gesuchten Straftäter aus dem westafrikanischen Mali „verwechselt“ worden. Die Polizei habe einen schweren handwerklichen Fehler begangen, persönliche Konsequenzen lehnte Reul allerdings ab.
Der 26-jährige Amad Ahmad wurde am 17. September bei einem Brand in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Kleve schwer verletzt und in eine Spezialklinik geflogen. Die Brandursachen sind weiterhin unklar. Zwei Wochen später erlag er seinen Verletzungen. Erst nach dem Tod des jungen Mannes wurde bekannt, dass es sich bei ihm gar nicht um den gesuchten Straftäter handelte, dessen Haftstrafe er zwei Monate lang unschuldig absaß.
Hamburger Straftäter benutzt Namen als Alias
Zum Hintergrund: Ahmad war am 6. Juli nach Angaben der Polizei Geldern in einen Streit verwickelt und auf die Polizeiwache gebracht worden. Dort wurden seine Personalien über das polizeiliche Informationssystem Viva überprüft. Das System schlug an: Die Staatsanwaltschaft Hamburg suchte einen Mann namens Amad Ahmad aufgrund einer Verurteilung wegen Diebstahls. Daraufhin wurde der junge Mann zuerst an die JVA Geldern und vier Tage später an die JVA Kleve überstellt. Der in Hamburg Gesuchte hieß allerdings nicht Amad Ahmad, sondern Amedy Guira. Den Namen Ahmad benutzte er nur als Alias. Außerdem kam er nicht aus Nordsyrien, sondern aus Timbuktu.
Der Deckname des Maliers war den Hamburger Behörden bekannt und im Fahndungssystem vermerkt. Innenminister Reul kritisierte, dass die Polizei die Übereinstimmung mit einer Alias-Personalie nicht zum Anlass für weitere Ermittlungsmaßnahmen genommen hat. Ein Abgleich der Fotos sei nicht erfolgt und auch die unterschiedlichen Geburtsorte in Syrien und Mali seien der Polizei nicht aufgefallen. Äußerliche Merkmale vom Gefasstem und Gesuchtem wurden ebenfalls nicht ordnungsgemäß abgeglichen. „Hätte man das getan, wäre sofort aufgefallen, dass etwas nicht stimmen kann“, so Reul. Auch wurde nicht mit Mitbewohnern oder Bekannten in der Flüchtlingsunterkunft gesprochen.
Anstaltspsychologin wusste von Verwechslung
Die Staatsanwaltschaft Kleve ermittelt gegen sechs Polizeibeamte wegen Verdachts auf „Freiheitsberaubung im Amt“. Gegen die Beamten ist auch ein Disziplinarverfahren anhängig. Zudem läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Brandstiftung. Auch der für Amad Ahmad zuständigen Anstaltspsychologin drohen strafrechtliche Konsequenzen, da sie von der Verwechslung wusste. Laut Justizministerium hatte sie am 3. September nach einem Gespräch mit Ahmad vermerkt, dass der Gefangene behaupte, zur Zeit der ihm vorgeworfenen Straftaten noch gar nicht in Deutschland gewesen zu sein. Die Verwechslung sei auf „fehlerhafte Polizeiprotokolle“ zurückzuführen, sagte Ahmad laut Psychologin. Diese hat ihm allerdings nicht geglaubt. Er habe „kaum nachvollziehbare Angaben zu seiner Person gemacht“, schrieb sie. „Es entstand der Eindruck eines hinsichtlich Delikten und Tatvorwürfen undurchsichtigen jungen Mannes“, so die Psychologin weiter.
Vater Zaher: Tod von Amad soll der Polizei eine Lehre sein
„Wir glauben, dass Amads Festnahme und Überstellung in die JVA politisch motiviert war. Wie kann es denn sein, dass der Polizei solch ein Fehler unterläuft? Mein Sohn war hellhäutig, der Gesuchte ein schwarzer Afrikaner“, sagte Amads Vater Zaher Ahmad. Die Behörden und die Polizei müssten aus dem Tod seines Sohnes eine Lehre ziehen. Von der Bundesregierung fordert er lückenlose Aufklärung. „Wir sind vor dem Krieg in unserer Heimat nach Deutschland geflohen, weil wir an die Demokratiewerte dieses Landes glaubten. Ich hoffe, dass keine weiteren Menschen mehr unschuldig ins Gefängnis müssen“.
Der Leichnam von Amad Ahmad befindet sich noch immer in einer Bochumer Klinik, die Autopsie sei noch nicht abgeschlossen. Mit der Freigabe wird in den nächsten Tagen gerechnet.