Eine Erfolgsgeschichte aus Cizîr

Fatma Tetik wurde als 13-Jährige verheiratet und war jahrelang häuslicher Männergewalt ausgesetzt. Aufgegeben hat sie trotzdem nicht. Heute leitet sie eine Textilwerkstatt.

Cizîr (Cizre) in der nordkurdischen Provinz Şirnex (Şırnak) gilt als eine Hochburg des kurdischen Widerstands. Frauen kämpfen an vorderster Front und sie fordern die Anerkennung ihrer Identität als Frauen ein. Der Schmerz der Veränderung dauert an, aber die Saat des Frauenkampfes geht auf.

Eine der Frauen aus Cizîr ist Fatma Tetik. Sie war in der inzwischen verbotenen Demokratie-Partei des Volkes (HADEP) aktiv, obwohl ihre Mutter meinte, dass sie als Mädchen dort nichts zu suchen habe. Fatma ging trotzdem jeden Tag zur Parteizentrale. Ihre Träume wurden im Alter von dreizehn Jahren rigoros unterbrochen, als sie trotz heftiger Gegenwehr mit ihrem Cousin verheiratet wurde.

„Ich passte nicht in ihre Denkweise“

In ihrer neuen Familie, deren Mitglied sie ungewollt durch die Heirat wurde, setzte Fatma ihren Kampf trotz aller Widrigkeiten fort. „Ich bin nicht zur Schule gegangen, aber ich las alle Bücher, die ich in die Hand bekam. Ich beobachtete die anderen Frauen in der Familie und bemühte mich sorgfältig, nicht dieselben Fehler wie meine Schwiegermutter und meine Schwägerinnen zu machen. In der Familie waren es immer die Frauen, die unterdrückt wurden. Ich äußerte mich zu den Ungerechtigkeiten, die ich zu Hause mitbekam. Aus diesem Grund erlebte ich viel Gewalt. Es hieß, dass ich die anderen Frauen mit meinem Gerede beeinflussen würde. Um mich zum Schweigen zu bringen, wurde Gewalt angewendet. Während meiner Schwangerschaften wurde ich zu Hause eingeschlossen. Mir wurde verboten, das Haus zu verlassen. Ich durfte nicht einmal meine Mutter besuchen. Ständig hieß es, ich würde die anderen Frauen aus der Familie organisieren. Ich passte einfach nicht in ihre Denkweise. Ich sorgte als Frau für Veränderungen und das machte ihnen Angst.“

Weglaufen hätte nichts verändert

Damals habe sie zwar noch kein entsprechendes Bewusstsein gehabt, dafür jedoch Kampfgeist, sagt Fatma. „Wenn ich so bewusst wie heute gewesen wäre, hätte alles noch ganz anders ablaufen können. Ali, der Bruder meines Mannes, war immer gegen Frauen. ‚Ich kann mich nicht mit Frauen in einem Raum aufhalten‘, sagte er. Und zu mir meinte er einmal: ‚Fatma, du redest zu viel. Du hast großes Selbstvertrauen als Frau, aber ich werde dieses Selbstvertrauen brechen‘. Ich kannte jedoch die Schwächen der Männer und dachte, dass es Wege gibt, sie zu verändern. Ich hätte auch einfach weggehen können, aber das hätte ihnen auch nicht den richtigen Weg gezeigt. Ihre Denkweise war sehr reaktionär und ich war bei bestimmten Themen viel weiter als sie. Also musste ich es ihnen beibringen. Eigentlich wurde ich für Ali zu einem Beispiel. Auch er wurde politisch aktiv und ihm wurde einiges klar. Dann hat er sich bei mir entschuldigt.“

Selbst beim Essen wären die Frauen ausgeschlossen worden, sie hätten sich erst an die Tafel setzen können, wenn die Männer fertig gegessen hatten, erzählt Fatma. Auch dagegen hat sie sich gewehrt und wurde gewaltsam bestraft. „Nach vier Jahren hatte ich es endlich geschafft, wir aßen gemeinsam. Dieser Erfolg machte mich sehr glücklich.“

„Du kannst mich unterstützen oder es lassen“

Als sie mit ihrem Mann und ihren Kindern in eine eigene Wohnung zog, wollte Fatma eine Arbeit finden. „Wir waren zu sechst und mein Mann sorgte für das gesamte Einkommen. Ich erzählte ihm von meinen Träumen und sagte: ‚Du kannst mich unterstützen oder es lassen, ich werde das Risiko eingehen und meine Träume verwirklichen‘. Ich wollte als Frau mein eigenes Geld verdienen und meine Kinder auch materiell unterstützen können. Gerade in ökonomischer Hinsicht sollte eine Frau nicht abhängig von einem Mann sein. Auch die Kinder müssen merken, zu was ihre Mütter in der Lage sind. Sie müssen schon als Kinder die Erfahrung machen, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind.“

Fatma ist jetzt Leiterin einer Textilwerkstatt. Um zu verhindern, dass die Jugendlichen aus Cizîr in die Großstädte gehen, will sie weitere Arbeitsplätze schaffen. Außerdem will sie einen Kurs einrichten. Ihre Träume gehen jedoch noch weiter: „Ich habe mein Ziel noch nicht wirklich erreicht, aber ich bin auf dem Weg dorthin. Solange ich lebe, werde ich weiter kämpfen und alle unterstützen, die auf eigenen Füßen stehen wollen.“