Mittlerweile täglich töten türkische Drohnen Zivilist:innen, Vertreter:innen der Selbstverwaltung, aber auch Kämpfer:innen der Verteidigungskräfte von Nord- und Ostsyrien. Diese Angriffe führen nicht nur zu Todesopfern, sondern auch zu einer großen Zahl von Versehrten.
Die YPJ-Kämpferin Ronahî Xebat, Veteranin der Kämpfe gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) und andere Dschihadistengruppen in Serêkaniyê, Cezaa, Mabruka, Raqqa, Tabqa und Minbic, war am 3. Februar 2022 unterwegs zu einer Beerdigung einer gefallenen Kämpferin, als eine türkische Drohne angriff. Bei der Attacke beim Dorf Xerez auf der Straße zwischen Amûdê und Dirbêsiyê verlor sie ein Bein.
„Unser Wille kann nicht gebrochen werden“
Im ANF-Gespräch berichtet Ronahî Xebat aus ihrer Biografie: „Im Jahr 2013 kämpfte ich in Serêkaniyê gegen al-Nusra. Eines der Ziele von Jabhat al-Nusra in diesem Krieg war die Gefangennahme von Kämpferinnen. Al-Nusra griff uns mit einer noch nie dagewesenen Brutalität an, aber als YPJ-Kämpferinnen leisteten wir großen Widerstand und führten heftige Gefechte. Wir vertrauten uns selbst, wir kämpften entschlossen gegen diese unmenschlichen Söldner und wir führten die Offensive zum Erfolg. Kurz darauf begann 2014 die Offensive Şehîd Rûbar, an der ich teilnahm. Als YPJ-Kämpferinnen zeigten wir bei dieser Offensive Freund und Feind die Kraft des Willens der Frauen. Als Kämpferinnen haben wir klar gemacht, wie wir trotz der alten patriarchalen Ordnung gegen diese Gräuel kämpfen können. Viele unserer Freundinnen haben bis zum letzten Atemzug Widerstand geleistet und sind gefallen. Auch in Cezaa und Mabruka haben wir großen Widerstand geleistet. Mit unserer Moral und Motivation haben wir auch diese Operation erfolgreich abgeschlossen. Dann habe ich an der Operation zur Befreiung von Raqqa teilgenommen. Raqqa war ein wichtiges Zentrum für den IS. Die Befreiungsoffensive dauerte etwa fünf Monate. Der IS griff uns auf jegliche nur erdenkliche Weise an, unter anderem wurden mit Sprengstoff beladene Fahrzeuge eingesetzt. Unser Wille und unsere Kraft sind jedoch keine Mauer, die eingerissen werden kann, kein Eisen, das sich biegen lässt, und kein Stein, der zerbrechen kann. Wir schöpfen unsere Kraft und unseren Willen aus der Philosophie von Rêber Apo [Abdullah Öcalan].“
„Die Türkei will Rache für den Sieg über den IS nehmen“
Ronahî Xebat erzählt vom Angriff des IS Anfang des Jahres auf das Sina-Gefängnis und den Moment ihrer Verletzung: „Eine Gruppe IS-Söldner griff das Gefängnis in Hesekê an. Sie wollten Hesekê besetzen und ein großes Massaker verüben. 121 unserer Genossinnen und Genossen leisteten mutigen Widerstand und fielen. Auf dem Weg zu einer Beerdigung wurde ich am 3. Februar 2022 im Dorf Xerez an der Straße zwischen Amûdê und Dirbêsiyê von einer Drohne attackiert und verlor dabei ein Bein. Die beiden Freundinnen im Fahrzeug und der Freund, der das Auto fuhr, blieben unverletzt. Mit diesem Angriff versuchte der türkische Staat, sich an uns für den gescheiterten Ausbruchsversuch des IS aus dem Sina-Gefängnis zu rächen. Der türkische Staat wollte sich mit diesem Angriff der ganzen Welt als erfolgreich präsentieren. Unabhängig von meiner Verletzung werde ich den Kampf nicht aufgeben. Die ganze Welt weiß, was der türkische Besatzerstaat will und bezweckt. Erdoğans einziges Anliegen ist es, die Menschen zu vernichten, die die Niederlage des IS herbeigeführt haben, und er will den IS in der Region wieder aufleben zu lassen. Wir haben diesen Kampf nicht erst gestern begonnen, wir führen ihn schon seit Jahren, und wir werden in keiner Weise von unserem Kampf abrücken.“
Dicle Tirbespiyê: „Als YPJ-Kämpferinnen werden wir nicht aufgeben"
Dicle Tirbespiyê, Mutter eines Kindes und Mitglied der Kommandantur im Militärrats von Qamişlo, ist seit Beginn der Revolution Teil der YPJ. Auch sie ist Veteranin vieler Kämpfe. So war sie an den Kämpfen um Til Hemis, Til Berak, Cezaa, Hesekê, Kobanê, Girê Spî, Silûk, Minbic und Şengal beteiligt. Sie unterstreicht, sie kämpfe ebenso gegen das Patriarchat wie gegen die Massaker. Den Moment, als sie am 3. Mai 2022 in Qamişlo vom türkischen Staat von einer Drohne attackiert wurde, beschreibt Dicle Tirbespiyê wie folgt: „Ich wurde zusammen mit Kesra Melek und den Freundinnen Mizgîn Botan und Dîcle Cûdî auf dem Weg nach Qamişlo angegriffen. Bei diesem Angriff wurden die YPJ-Kämpferin Mizgîn Botan und der Zivilist Kesra Melek vom türkischen Staat getötet, und ich verlor bei demselben Angriff beide Beine.
Der türkische Staat weiß sehr genau, dass es dort, wo Frauen sind, Freiheit, Leben, Gleichheit und Gerechtigkeit gibt. Er will die Revolution von Rojava durch Angriffe auf die Frauen zerstören. Das ist kein Novum, Frauen wurden immer wieder vom türkischen Staat ins Visier genommen. So wurden bei türkischen Drohnenangriffen Sosin Bîrhat, Ronahî Kobanê, Dilar Heleb, Jiyan Tolhildan, Roj Xabûr und Barîn Botan aus dem Generalkommando der QSD und YPJ getötet. Der türkische Staat will einen Völkermord an den Menschen in Rojava begehen und verübt täglich Massaker an der Zivilbevölkerung. Als YPJ-Kämpferinnen werden wir nicht aufgeben, unser Volk zu schützen, egal was passiert.“