Wegen Efrîn-Protesten in München: Kurde zu Geldstrafe verurteilt

Die Münchener Justiz hat den kurdischen Aktivisten Ahmet Çakmak wegen „Verstoß gegen das Vereinsgesetz“ zu einer Geldstrafe von 1000 Euro verurteilt. Dem Flüchtling wird unter anderem zur Last gelegt, ein kurdisches Lied gesungen zu haben.

Die Münchener Justiz hat den kurdischen Aktivisten Ahmet Çakmak wegen „Verstoß gegen das Vereinsgesetz“ zu einer Geldstrafe von 1000 Euro verurteilt. Dem anerkannten Flüchtling werden Redebeiträge zur Last gelegt, die er bei Protesten in München gegen den Angriffskrieg der türkisch-dschihadistischen Besatzungstruppen auf den nordsyrischen Kanton Efrîn hielt. Außerdem soll Çakmak bestraft werden, weil er das kurdische Lied Çerxa Şoreşê gesungen hat. In einer Zeile des Stücks fällt der Name Abdullah Öcalans. Wir haben mit dem Aktivisten über das Verfahren gesprochen.

Ahmet Çakmak, die Münchener Justiz hat dich wegen „Verstoß gegen das Vereinsgesetz“ zu einer Geldstrafe in Höhe von 1000 Euro verurteilt. Was kannst du uns dazu sagen?

Ich wurde wegen meinen Redebeiträgen auf den Protesten gegen den türkisch-dschihadistischen Angriffskrieg gegen Efrîn verurteilt. In meinen Reden habe ich auch immer wieder die Sorge der Kurdinnen und Kurden um die Haftsituation und den Gesundheitszustand des inhaftierten Volksrepräsentanten Abdullah Öcalan zur Sprache gebracht und darauf hingewiesen, dass das CPT (Antifolterkomitee des Europarats) seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Durch diese Umstände setzt sich das internationale Komplott gegen Öcalan fort und die Besatzung Efrîns stellt eine Reflexion dessen dar. Daher lautete unsere Forderung auf den Protesten, dass dieser Zustand sofort beendet werden muss. Die Besatzungstruppen streben nach einer vollständigen Vernichtung des neuen Gesellschaftsmodells im Mittleren Osten, das sich an den Vorstellungen Öcalans orientiert. Aus diesem Grund wurde Efrîn besetzt. Mir wird auch zum Vorwurf gemacht, dass ich das Lied Çerxa Şoreşê gesungen habe. In einer Zeile fällt der Name Abdullah Öcalan.

Auf was stützt sich das Gericht bei dem Urteil?

Das Gericht stützt sich bei dem Urteil auf das Betätigungsverbot für die PKK, das seit 1993 in der Bundesrepublik gilt. Die Entscheidung entbehrt jeder ethnischen und juristischen Grundlage. Ich habe das Gericht auf Artikel 18 der UN-Menschenrechtscharta hingewiesen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verbürgt in besagtem Artikel die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Jedem Menschen wird garantiert, dass er seine Gedanken und sein Gewissen bilden darf, ohne dabei staatlichem Zwang ausgesetzt zu sein. Der folgende Artikel 19 schützt das Recht auf freie Meinungsäußerung einschließlich des Rechts, seine Meinung zu verbreiten und die Meinungen anderer zu hören. Damit verbietet der Artikel die staatliche Zensur, die das Münchener Gericht eben angewendet hat. Insofern ist die Entscheidung ganz klar politisch motiviert. Grundrechte und Freiheiten werden hier systematisch kriminalisiert. Meine Meinung ist, dass man überall auf der Welt gegen Unrecht eintreten muss. Doch insbesondere wenn es in Kurdistan zu Ungerechtigkeiten kommt, sollten wir alles in unserer Macht stehende tun, um gegen die Rechtsverletzungen vorzugehen. Eine Geldstrafe, wie sie mir von der bayerischen Justiz auferlegt wurde, kann keine Sanktionsmaßnahme sein. Natürlich akzeptiere ich dieses Urteil nicht und werde es anfechten. Das Gericht hat nicht nach dem Konzept von Schuld und Sühne gehandelt, sondern seiner politischen Haltung entsprechend Anstrengungen unternommen, um zu kriminalisieren. Das Recht auf Gedankenfreiheit und freie Meinungsäußerung ist angeboren, es kann einem Menschen nicht später eingeräumt werden.

Was beabsichtigt der deutsche Staat und insbesondere die bayerische Justiz mit der Verfolgung von kurdischen bzw. pro-kurdischen Aktivist*innen?

Deutschland gehört zu den Staaten, in denen der Kapitalismus dominiert. Von dem kapitalistischen System sind die Menschen hier besonders stark betroffen. Und Bayern ist ein Bundesland, das sich als Führer des nationalistischen und rassistischen Teils der Gesellschaft aufspielt. Bei den Protesten und Demonstrationen gegen die Besatzung Efrîns haben wir immer wieder auf die Mission der Selbstverteidigungskräfte Nordsyriens hingewiesen, die die Errungenschaften der Revolution von Rojava verteidigen. Alle Menschen, die damals gemeinsam mit uns protestierten, brachten ihre Solidarität gegenüber dem Widerstand von Efrîn zum Ausdruck. Es ist nur natürlich, dass sich die Bundesregierung bzw. Bayern daran gestört fühlt. Sie wissen ja nur zu gut, dass es das Paradigma einer demokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft von Abdullah Öcalan ist, das in Rojava umgesetzt wird. Diese Idee stellt den positiven Gegenentwurf zu der kapitalistischen Gesellschaft dar. In Rojava leben die Menschen gleichberechtigt und geschwisterlich zusammen. Während den Protesten gegen die Angriffe auf Efrîn haben wir auch auf den Einsatz von deutschen Leopard-Panzern hingewiesen. Dass bei der Invasion der Stadt deutsche Panzer eingesetzt wurden bedeutet ganz klar, dass der deutsche Staat an der Besatzung Efrîns beteiligt ist. Die Behörden haben unsere Proteste regelmäßig zu behindern versucht. Oft genug wurden die Teilnehmenden ermahnt, aber dies hatte nicht zur Folge, dass wir von unserem Widerstand ablassen, im Gegenteil: Die Solidarität ist weiter gewachsen. Deshalb versucht die bayerische Justiz nun mit solchen Strafen eine Atmosphäre der Angst zu schaffen.