Heute stand der Journalist und Aktivist Anselm Schindler wegen angeblichen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz vor dem Münchner Amtsgericht. Gegenüber ANF hat er sich zu dem Verfahren geäußert.
Heute war die Gerichtsverhandlung gegen dich, wie ist es gelaufen?
Bei der Demonstration gegen die NATO-„Sicherheitskonferenz" in München habe ich im Februar eine Fahne der kurdisch-nordsyrischen Frauenverteidigungseinheiten YPJ getragen. Heute wurde ich deshalb vor dem Münchner Amtsgericht zu 110 Tagessätzen verurteilt, die Geldstrafe beträgt insgesamt 4.400 Euro. Das Gericht sagt, dass das Tragen der Fahnen von YPG und YPJ ein Verstoß gegen das Vereinsgesetz ist, weil diese Organisationen mit der PKK zu tun haben. Ich nehme das Urteil nicht hin und werde auf jeden Fall in Berufung gehen, das Ganze geht dann vor dem Landgericht München weiter.
Worauf hast du dich bzw. deine Verteidigung sich berufen? Die rechtliche Lage und der juristische Umgang mit den Fahnen der YPG und YPJ sind nicht ganz eindeutig, es besteht der begründete Verdacht, dass rechtliche Verfolgung wie in deinem Falle politisch motiviert ist. Konntet ihr vor Gericht diesen Aspekt thematisieren und offenlegen?
Das ganze Verfahren gegen mich und viele andere, die wegen Fahnen und Facebook-Posts angeklagt sind, ist ganz klar politisch motiviert. Die deutsche Politik hält Erdoğan im Kampf gegen den demokratischen Aufbau in Nordsyrien den Rücken frei und beliefert ihn mit Waffen, anstatt sich auf der Seite der fortschrittlichen Kräfte zu positionieren. In diesem Zusammenhang ist auch die Repression gegen die kurdische Bewegung und ihre Unterstützer*innen in Deutschland zu sehen: Sie geschieht im Interesse des deutschen Imperialismus, der eine starke Bindung zur Türkei braucht, um in der Region ökonomischen, politischen und militärischen Einfluss geltend zu machen. Ich habe das vor Gericht auch thematisiert, wobei von Anfang an klar war, dass das den Richter nicht interessieren wird.
Neben dir, Kerem Schamberger und Ludo Vici sind in München viele andere Menschen von der Strafverfolgung betroffen. Seid ihr vernetzt und habt ihr euch mal überlegt, in einer Sammelklage gegen die Schikane der Münchener Polizei und Justiz vorzugehen? Das Grundgesetz sowie die schwammige Rechtssituation hättet ihr sicherlich auf eurer Seite.
Wir wollen auf jeden Fall kollektive Antworten auf die Repression gegen alle Betroffenen geben, da wird in den kommenden Monaten noch einiges passieren. Auch in den meisten anderen Fällen wird Widerspruch gegen die Urteile eingelegt, wir warten dann ab, wie es weitergeht. Und natürlich wird es auch eine politische Kampagne geben, um auf das Unrecht, das da geschieht, aufmerksam zu machen. Wir werden das so nicht auf uns sitzen lassen.
Was rätst Du anderen Betroffenen, die wegen ähnlichen Vorwürfen juristisch verfolgt werden?
Holt euch einen Anwalt oder eine Anwältin und sprecht euch mit anderen Betroffenen ab. Gemeinsam bekommen wir das hin!