Mehr als zwei Monate saß der Kurde Amad Ahmad wegen schwerwiegenden Behördenfehlern unschuldig in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Kleve. Am 6. Juli war er in Geldern aufgrund einer „Verwechslung“ mit einem von der Staatsanwaltschaft Hamburg gesuchten malinesischen Staatsbürger inhaftiert worden. Am 17. September brach aus bisher ungeklärten Umständen ein Feuer in seiner Zelle in der JVA Kleve aus. Fast zwei Wochen später, am 29. September, erlag er seinen schweren Brandverletzungen. Aufgrund der türkischen Besatzung seiner Heimat konnte der Leichnam des 26-Jährigen nicht nach Efrîn überführt werden. Seine Beisetzung fand auf dem Bonner Nordfriedhof statt.
Die offizielle Version lautet, Ahmad habe am 17. September 2018 um 19.00 Uhr Kleidung, Bettlaken und Matratzen auf einen Haufen gelegt und alles angezündet, um sich das Leben zu nehmen. Das Feuer habe „circa 15 Minuten bei geschlossenem Fenster eingewirkt, ohne dass sich der syrische Staatsangehörige bemerkbar gemacht habe“, heißt es im Bericht von Staatsanwaltschaft und Justizministerium. Erst dann habe er die Gegensprechanlage betätigt und das Fenster geöffnet, um nach Hilfe zu rufen. Kurz darauf sei die Zelle geöffnet worden.
„Brand kann nicht so abgelaufen sein“
Zur Version der Staatsanwaltschaft sagt Korbinian Pasedag vom Institut für Brand- und Löschforschung in Dippoldiswalde: „So wie der Brand von der Staatsanwaltschaft beschrieben wurde, ist er nicht möglich.“ Einerseits weist der Brandforscher darauf hin, dass das Feuer niemals die genannte Intensität ohne ein geöffnetes Fenster oder Tür hätte erreichen können und Ahmad nach 15 Minuten aufgrund der Hitze und der Giftigkeit des Rauchs in keinem Fall um Hilfe hätte rufen können, sondern wäre dann bereits bewusstlos gewesen. Auch der Direktor der Rechtsmedizin Frankfurt, Prof. Dr. Marcel A. Verhoff bestätigt dies: „Ich würde eher erwarten, dass die Person nach einer Viertelstunde längst bewusstlos ist.“
Wurden Ahmeds Hilfeschreie ignoriert?
Mitgefangene berichteten gegenüber dem Politmagazin Monitor, Amad Ahmad habe von Anfang an gegen die Tür getreten und aus dem geöffneten Fenster geschrien. Dies hätten die Menschen auf dem Hof ebenfalls bemerkt. Häftlinge berichten, er habe sehr wohl auf sich aufmerksam gemacht. „Ich habe ihn schreien hören, das war echt hart.“ Dies stimmt mit den Aussagen der Gutachter von Monitor überein. Die bei dem Brand entstehenden Verbrennungen würden „zu erheblichen Schmerzen führen, die durch Schmerzschreie geäußert werden“.
Die Schmerzensschreie und der Zeitpunkt des Öffnens des Fensters seien insofern von besonderer Relevanz, da sie darauf hinweisen, ob die Hilfeschreie von Ahmad nicht gehört oder gar bewusst ignoriert wurden. Darüber hinaus ist bekannt geworden, dass Ahmad zwei Mal den Rufknopf in der Zelle gedrückt und keine Reaktion erhalten hat. Laut Akte hätten die Wächter dazu geäußert. „Wir haben gedacht, er habe den Alarm nur um auf sich Aufmerksam zu machen gedrückt.“
Zu Unrecht inhaftiert
Obwohl Amad Ahmad nach seiner Festnahme im Juli sowohl gegenüber der Polizei und der Staatsanwaltschaft erklärte, nie in Hamburg gewesen und unschuldig zu sein, gingen die Behörden diesen Hinweisen nicht nach. Erst als Ahmad bei dem Zellenbrand am 17. September schwer verletzt wurde, wurde klar, dass es sich bei ihm nicht um den wegen Diebstahl gesuchten Malinesen Amedy Guira handelte. Weder von der Hautfarbe noch von der Staatsbürgerschaft her bestand der geringste Anlass zu einer solchen Verwechslung.
Sein Vater hat eine Anzeige gegen die Staatsanwaltschaft in Kleve und die Polizei gestellt. Er sagt: „Ich denke, mein Sohn ist willkürlich und aus politischen Gründen festgenommen und ins Gefängnis geworfen worden.“