Amad Ahmad: Neue Hinweise widersprechen Selbstmord-Theorie

Im Fall des nach einem Brand in seiner Gefängniszelle verstorbenen Amad Ahmad gibt es neue Hinweise darauf, die der Selbstmord-Theorie der Behörden widersprechen. Der 26-Jährige hat offenbar doch die Gegensprechanlage betätigt, um einen Alarm auszulösen.

Im Fall des aus Efrîn stammenden Kurden Amad Ahmad, der aufgrund von schwerwiegenden Behördenfehlern zwei Monate unschuldig im Gefängnis saß und am 29. September nach einem Brand in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Kleve verstarb, gibt es neue Hinweise darauf, die der Selbstmord-Theorie der Behörden widersprechen. Offenbar hat der 26-Jährige doch entgegen bisheriger Aussagen die Gegensprechanlage betätigt, um einen Alarm auslösen. Das berichteten auch der Kölner Stadtanzeiger und die Bild-Zeitung, der ein nichtöffentlicher Bericht des Justizministeriums an die Landtagsfraktionen vorliegt. Demnach hätten die Beamten der JVA Kleve nicht auf den Alarmruf reagiert. In dem Bericht heiße es, dass „entgegen der bisherigen Erkenntnislage“ doch noch Protokollierungsdaten aus der Haftanstalt gefunden worden seien.

Amad Ahmad saß seit dem 6. Juli zu Unrecht in Untersuchungshaft, weil Behörden den jungen Mann mit einem gesuchten Straftäter aus Mali verwechselt hatten. Am 17. September brach in seiner Zelle ein Feuer aus, am 29. September erlag er in einer Bochumer Spezialklinik seinen schweren Verletzungen. Bisher verbreitete die Landesregierung NRW die Theorie, Amad Ahmad habe Selbstmord begangen. Doch daran gibt es nun begründete Zweifel. In dem Bericht des Justizministeriums heiße es außerdem: „Die Daten deuten nach Einschätzung der Polizei darauf hin, dass entgegen bisheriger Annahme am Brandtag gegen 19:19:10 Uhr die Gegensprechanlage in dem Haftraum 143 betätigt wurde”. Die Staatsanwaltschaft gehe nun unter anderem auch der Frage nach, ob und wann das mit der Sprechanlage ausgelöste Lichtsignal deaktiviert wurde.

Nach Bild-Informationen sei die Gesundheitsakte von Amad Ahmad inzwischen beschlagnahmt worden, außerdem werde gegen einen Arzt der JVA wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen ermittelt. Laut Justizministerium bestehe der Verdacht, dass in der Gesundheitsakte Dinge standen, die „pflichtwidrig nicht zur Kenntnis gebracht“ worden seien. Erst dadurch wäre der Gefangene von der JVA eben nicht als suizidgefährdet eingeordnet worden.

Die SPD-Opposition in Nordrhein-Westfalen hat weiterhin großen Klärungsbedarf. In einem Schreiben an die Minister für Inneres und Justiz, Herbert Reul (CDU) und Peter Biesenbach (CDU), forderte Fraktionsvize Sven Wolf einen umfassenden und chronologischen Bericht über „das tragische Geschehen”. Von solch einem Bericht will die Fraktion offenbar die Entscheidung über mögliche weitere Schritte abhängig machen. Es sei kaum nachvollziehbar, so Wolf, dass sich Amad Ahmad während seiner Haft nie über die Verwechslung beschwert haben soll. Zudem sei unklar, ob der 26-Jährige, trotz mehrerer diagnostizierter psychischer Störungen, überhaupt haftfähig gewesen sei, heiße es in Wolfs Schreiben. Auch weitere Informationen über eine mögliche Selbstmordgefährdung und die Ursache für den Brand in seiner Zelle seien notwendig.