Umstrittenes Justizpaket trotz breiter Kritik im Ausschuss angenommen

Trotz massiver Kritik aus der Opposition hat der Justizausschuss des türkischen Parlaments das 10. Justizpaket mit den Stimmen der Regierungsparteien AKP und MHP verabschiedet. Der Entwurf soll in den kommenden Tagen dem Plenum vorgelegt werden.

„Verfassungswidrig und diskriminierend“

Das von der regierenden AKP mit Unterstützung der ultranationalistischen MHP eingebrachte 10. Justizpaket ist trotz scharfer Einwände der Opposition vom Justizausschuss des türkischen Parlaments angenommen worden. Kritiker:innen werfen der Regierung vor, mit dem Gesetzesvorhaben demokratische Grundsätze wie die Gleichheit vor dem Gesetz auszuhöhlen und gezielt politische Gefangene auszuschließen.

Während der Kommissionssitzung kam es mehrfach zu Auseinandersetzungen. Oppositionsabgeordnete der CHP, DEM-Partei, DEVA und İYİ-Partei bemängelten vor allem, dass frühere Versprechen der Regierung – darunter die Wiederaufnahme der pandemiebedingten Haftentlassungsregelungen – nicht eingehalten wurden. Diese Regelung hatte während der COVID-19-Pandemie rund 90.000 Häftlingen eine vorzeitige Entlassung ermöglicht, ließ jedoch politische Gefangene außen vor. Eine Neuauflage, wie sie insbesondere von der DEM-Partei gefordert wurde, lehnte die AKP ab.

Vorwürfe der Ungleichbehandlung und Willkür

Die Abgeordneten Murat Emir (CHP) und Onur Düşünmez (DEM) warfen der Regierungsmehrheit vor, das Gleichheitsgebot der Verfassung zu verletzen. Emir sprach von einem „Reform-Etikett ohne Inhalt“ und warf der Regierung vor, Entscheidungen des Verfassungsgerichts systematisch zu ignorieren. Düşünmez betonte, dass insbesondere politisch Gefangene sowie „Lebenslängliche“ weiterhin von jeglichen Verbesserungen ausgeschlossen würden – eine Ungleichheit, die nicht länger hinnehmbar sei.

DEM-Partei: Appell für umfassende Reform

Die DEM-Partei reichte mehrere Änderungsanträge ein, unter anderem zur Wiedereinführung der COVID-19-Regelung und zur Berücksichtigung kranker und älterer Gefangener. Diese Vorschläge wurden jedoch mit den Stimmen von AKP und MHP abgelehnt. „Die Gesellschaft hat auf eine gerechte Regelung gehofft – diese Hoffnung wurde bitter enttäuscht“, erklärte die DEM-Abgeordnete Dilan Kunt Ayan. Sie wies zudem darauf hin, dass die Regierung versuche, der DEM-Partei die Verantwortung für das Ausbleiben dieser Regelung zuzuschieben.

Zülküf Uçar (DEM) kritisierte das Paket scharf als „Instrument der Einschüchterung“ und beklagte eine zunehmende Entfremdung zwischen Staat und Gesellschaft. „Die Gesetzgebung muss sich an den Bedürfnissen aller Menschen orientieren – nicht an den Machtinteressen Einzelner“, sagte er.

CHP erinnert an das „Recht auf Hoffnung“

Süleyman Bülbül (CHP) kritisierte, dass das sogenannte „Recht auf Hoffnung“ – ein von MHP-Chef Devlet Bahçeli selbst in Bezug auf Abdullah Öcalan ins Spiel gebrachtes Prinzip – im Paket nicht berücksichtigt wurde. Das Gesetz, so Bülbül, enthalte weder Gerechtigkeit noch Verfassungsmäßigkeit.

Nächste Station: Plenum

Das Justizpaket, das laut AKP eine Verwaltungsmaßnahme darstellen soll, wird in den kommenden Tagen dem Parlament zur abschließenden Abstimmung vorgelegt. Die Opposition kündigte an, ihre Kritik weiter öffentlich zu machen und verfassungsrechtliche Schritte zu prüfen. Beobachter:innen rechnen damit, dass das Paket auch in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit weiter für Kontroversen sorgen wird.