Tuncel: „Die Sicherheit meiner Familie ist gefährdet!“

Nach einem tätlichen Angriff auf die Familie der alevitischen Journalistin Ruken Tuncel in Istanbul fürchtet die Bianet-Redakteurin um das Leben ihrer Angehörigen.

Das AKP/MHP-Regime schürt mit seiner Hetze und Kriegspolitik Rassismus und Hass in der Gesellschaft. Das bekommen besonders kritische Journalistinnen und Journalisten sowie ihre Angehörigen zu spüren. Die Familie von Ruken Tuncel, Redakteurin der regimekritischen Nachrichtenplattform Bianet, wurde am Abend des 10. August von Nachbarn vor ihrer Wohnung im Istanbuler Stadtteil Beylikdüzü tätlich angegriffen. Die Nachbarn attackierten ihre Schwester, beschimpften sie und bedrohten die Familie mit dem Tod.

Ich bin der Staat, ich bin die Polizei"

Gegenüber ANF berichtete Tuncel über die Ereignisse. „Unser Nachbar von unten hetzte die Nachbarn über uns mit falschen Anschuldigungen gegen uns auf, und das diente als Vorwand für den Angriff“, erklärte sie. „Der letzte Angriff ereignete sich, als meine Schwester Sinem und meine Mutter vom Markt zurückkehrten. Als sie ihre Einkäufe nach Hause trugen, begann die Nachbarin von oben, M.Y., plötzlich zu fluchen und meine Schwester zu beleidigen. Als Sinem sagte: ‚Schrei nicht so, Tante, du bist 70 Jahre alt, ich werde nicht antworten‘, erwiderte M.Y.s Tochter A.Y.: ‚Wer bist du, dass du es wagst, meiner Mutter zu widersprechen?‘ Dann ging sie die Treppe hinunter und griff meine Schwester direkt an. Sie packte Sinem an den Haaren und schlug ihr aufs Kinn. Sie griff auch meine Tante an, als diese eingriff. Als die 70-jährige Nachbarin, die den Vorfall ausgelöst hatte, meiner Tante mit einem dicken Knüppel auf den Kopf schlagen wollte, versuchte meine Schwester, dies zu verhindern, und der Knüppel traf ihre Handgelenke. Sie wurde verletzt und die Wunde musste genäht werden. Als die Polizei gerufen wurde, drohte die Nachbarin: ‚Die Polizei wird nicht zu euch kommen. Ich werde sie rufen, dann werdet ihr sehen, wie sie kommt. Ich bin der Staat, ich bin die Polizei. Wir sind aus Trabzon, wir werden euch verbrennen. Euch Aleviten gehört doch alles. Ich habe eine Waffe, ihr könnt euch meine Waffe ansehen. Ich werde das Magazin auf euch entladen.‘“

Polizei nimmt Morddrohung nicht ernst

Die Polizei habe die Morddrohung nicht ernst genommen, sagte Tuncel: „Die Polizei hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, zu überprüfen, ob bei den Nachbarn tatsächlich eine Waffe vorhanden war. Stattdessen versuchten sie, die Morddrohung abzutun, indem sie meinen Angehörigen sagten: ‚Sie hat gesagt, sie hätte eine Waffe, als sie wütend war. Wir können nicht wissen, ob das eine Morddrohung ist oder nicht. Menschen sagen solche Dinge aus Wut.‘ Auf Intervention des Anwalts der Familie wurde die Aussage jedoch begrenzt aufgenommen. So wurden nur einige der Schimpfwörter und Beleidigungen verzeichnet und versucht, den Vorfall auf eine einfache Beleidigung herunterzuspielen. Tatsächlich wurde gegen die Angreifer nur eine Verwarnung ausgesprochen, sich uns nicht zu nähern. Wie das geschehen soll, ist unklar, schließlich wohnen sie über uns.“

Dies ist ein rassistisches Hassverbrechen“

Tuncel betonte, dass dieser Angriff nicht als Nachbarschaftsstreit behandelt werden könne, und betonte, dass ihre Familie nicht sicher sei. Sie wies darauf hin, dass die Menschen aus der nordkurdischen Provinz Dersim, die in der Nachbarschaft leben, aufgrund dieses Angriffs besorgt seien, und betote: „Niemand kann das, was passiert ist, als einfachen Vorfall darstellen. Dies ist ein rassistisches Hassverbrechen. Was bedeutet es, zu sagen ‚Das sind Terroristen‘, wenn die Polizei kommt? Wenn wir in einem Land leben würden, in dem Politiker nicht aufgrund der Identität der Menschen gegen sie vorgehen würden, würden solche Sätze nicht ausgesprochen werden. Dies geht von ganz oben aus: Politiker, die Hassreden über die Identität von Menschen verbreiten, schaffen dieses Klima.“

Tuncel erstattete Strafanzeige und betonte, dass sie den Rechtsweg bis zum Ende verfolgen werde. Sie unterstrich erneut, dass Gefahr für ihre Familie bestehe, und schloss mit den Worten: „Ich will Gerechtigkeit. Wie ich bereits sagte, möchte ich nicht, dass dies als einfacher Nachbarschaftsstreit angesehen wird, und ich fordere, dass das Gerichtsverfahren beschleunigt wird.“