Türkei-Reisenden drohen Zwangsbehandlungen
Türkei-Reisenden droht eine Zwangsbehandlung mit umstrittenen Medikamenten, wenn sie Covid-19-Symptome haben. Die Bundesregierung hält die Reisewarnung aufrecht und auch die PKK rät vom Türkei-Urlaub ab.
Türkei-Reisenden droht eine Zwangsbehandlung mit umstrittenen Medikamenten, wenn sie Covid-19-Symptome haben. Die Bundesregierung hält die Reisewarnung aufrecht und auch die PKK rät vom Türkei-Urlaub ab.
Immer noch wird heftig über Reisen in die Türkei in diesem Jahr spekuliert. Während der kurdische Dachverband KCDK-E zum Boykott des Türkei-Urlaubs aufruft und darauf hinweist, dass der türkische Staat seine Kriege über den Tourismus finanziert, bemüht sich der türkische Staat verzweifelt, doch noch Touristen ins Land zu locken.
Indes weigert sich das Auswärtige Amt, die Reisewarnung für die Türkei aufzuheben. Grund sind die hohen Infektionszahlen und eine Zwangsbehandlung von Touristen im Fall einer Covid-19-Erkrankung. Die Türkei gilt weiterhin bis 31. August als Risikogebiet. Rückkehrer müssen vor der Heimreise in die Bundesrepublik einen negativen Corona-Test nachweisen oder eine 14-tägige Quarantäne in Kauf nehmen, für die es auch keine Krankschreibung gibt.
Dabei hat sich Außenminister Mevlüt Cavusoglu wirklich bemüht, den Tourismus wieder anzukurbeln. Er versprach die Weitergabe von Infektionszahlen in Tourismus-Hochburgen, allerlei Hygienekonzepte, Maskenpflicht und Abstandsregeln, Wärmebildkameras und Corona-Schnelltests an den Flughäfen, Zertifizierungsprogramme für Hotels und Gaststätten. Auch sollen Urlauber für ca. 30 Euro eine Krankenversicherung erwerben können. Und im Fall des Verdachts einer Covid-19-Infektion erhält man gar eine kostenlose Behandlung. Die allerdings wird dann zwangsweise durchgeführt bei leichten Symptomen, ohne auf die Resultate der Testergebnisse zu warten. Zum Einsatz kommen die Malaria-Medikamente Hydroxychloroquin oder Chloroquin, die auch schon Donald Trump empfahl. Gesundheitsminister Fahrettin Koca weist darauf hin, diese „Vorgehensweise [sei] proaktiv und präventiv schon auf den bloßen Verdacht ausgerichtet.“
Vermutlich ist Koca bei dieser Empfehlung nicht auf dem neuesten Stand. Am 17. Juni stellte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die klinischen Studien zu Hydroxychloroquin oder Chloroquin ein, da die Behandlung mit diesen Medikamenten bei Covid-19 nicht nur nutzlos, sondern eher schädlich und mit massiven Nebenwirkungen verbunden sei. Auch sind die in der Türkei zwangsweise verabreichten Medikamente in Deutschland nicht zur Therapie von Covid-19-Patienten zugelassen.
Vor allem diese Kuren mit Malaria-Medikamenten auch gegen den Willen des Erkrankten sowie die Zweifel über die Richtigkeit der weitergegebenen Daten über Infektionsfälle sind in Berlin Gründe, die Reisenden aus Deutschland zu warnen. Auch der Hinweis des Robert-Koch-Instituts, dass für Einreisende aus Risikogebieten „gemäß den jeweiligen Quarantäneverordnungen der zuständigen Bundesländer, eine Pflicht zur Absonderung“ angeordnet werden kann, macht den Entschluss, in diesem Jahr Urlaub in die Türkei zu reisen, nicht einfacher.
Das deutsche Außenministerium hält also bisher stand gegenüber den türkischen Bemühungen um das lukrative Tourismusgeschäft. Im Vordergrund steht die Sorge um die Zumutungen, denen Türkei-Reisende ausgesetzt werden. Andere Gründe, die gegen einen Urlaub sprechen, sucht man vergebens. Kein Wort über die Bombardierung des unter UN-Schutz stehenden Flüchtlingscamps Mexmûr, die ezidische Bevölkerung, die Medya-Verteidigungsgebiete oder den Drohnenangriff auf Aktivistinnen der Frauenbewegung bei Kobanê. Dieses deutsche Schweigen gegenüber dem türkischen Staatsterrorismus ist mittlerweile bekannt. Zyniker würden jetzt sagen, zum Glück reagiert die Türkei bei der Pandemie-Bekämpfung so intransparent und stümperhaft, dass es eine Reisewarnung wegen Staatsterrorismus und völkerrechtswidriger Annexion von Gebieten in Nachbarländern gar nicht mehr bedarf.
Und so herrscht bei der Bundesregierung und dem HPG-Kommandanten Murat Karayilan eine seltene Einigkeit: „Touristen sollten nicht in die Türkei kommen.“. Lediglich die Begründung unterscheidet sich. Während das deutsche Außenministerium die Angst vor Infektionsrisiken umtreibt, argumentiert Karayilan: „Das Geld, das Touristen in der Türkei ausgeben, wird zu einer gegen das kurdische Volk gerichteten Kugel.“