Temelli: Festnahmen auf Direktive Erdoğans

Zur jüngsten Repressionswelle gegen die kurdische Opposition in der Türkei erklärt der HDP-Vorsitzende Sezai Temelli, es existiere kein Rechtssystem mehr, die Ermittlungsbehörden handelten auf Direktive Erdoğans.

Der Ko-Vorsitzende der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Sezai Temelli, hat sich auf einer Pressekonferenz in Amed (Diyarbakır) zum politischen Vernichtungsfeldzug gegen die kurdische Opposition geäußert. Seit Dienstag sind in der Türkei über hundert Personen festgenommen worden, insgesamt sind 151 Personen zur Fahndung ausgeschrieben.

Vor Journalisten erklärte Temelli in der HDP-Zentrale: „Bei den seit einigen Tagen andauernden Operationen kann nicht mehr von Festnahmen gesprochen werden. Wir sind mit einer Operation konfrontiert, die außerhalb des Gewohnten ist. Wir rufen die Öffentlichkeit in der Türkei zur Aufmerksamkeit auf. Justiz und Gesetz gibt es nicht einmal mehr ansatzweise. Unsere Freundinnen und Freunde sind mit äußerst brutalen Methoden festgenommen worden. Diese Festnahmeszenen zeigen, was für eine Türkei der Regierung vorschwebt.“

„Waffen auf die Köpfe von Kindern gerichtet“

Obwohl die Betroffenen bereit waren, die Türen zu öffnen, sind alle Türen aufgebrochen worden, um die Festnahmen zu vollziehen, so der HDP-Politiker weiter. „Der Befehl, die Türen aufzubrechen, kam vom Staatsanwalt. Was ist das für ein Staatsanwalt? Sogar Kindern ist Gewalt angetan worden, Kindern wurden Waffen an den Kopf gehalten. Was soll uns das sagen? Niemand wird sich davon einschüchtern lassen. Niemand wird aufgrund dieses Vorgehens seinen Kampf, sein Versprechen und seine Einstellung aufgeben.

Gewalt gegen Frauen

Besonders brutal bei der jüngsten Festnahmeoperation sei der Umgang mit Frauen, erklärte Temelli:

„Es ist zu Schlägen, Folter und unfassbaren Handlungen gekommen. Ein Beispiel ist der Umgang mit Güler Özsavcı Doğru, der Ko-Bürgermeisterin von Hazro. Um ihren Mann festzunehmen, wird sich Zugang zur Wohnung verschafft und Güler wird gefoltert. Es ist auf ihr herumgetrampelt worden, sie wurde dabei verletzt. Die Frauen werden in Schlafanzügen festgenommen, es wird ihnen nicht erlaubt, sich anzuziehen. Was ist das für ein Umgang? Die gegen die festgenommenen Frauen angewendete Gewalt resultiert aus der Tatsache, dass die HDP eine Frauenpartei ist. Es gibt eine frauenfeindliche Regierung, die sich über Gewalt an Frauen auf den Beinen hält, und ihre Sicherheitskräfte wenden Gewalt in unseren Wohnungen an.“

Herzinfarkt in Polizeigewahrsam

„Unser Freund Hilmi Aydoğdu hat in Polizeigewahrsam einen Herzinfarkt erlitten. Trotzdem wurde er anderthalb Stunden bei der Polizei festgehalten. Jetzt steht er für 48 Stunden unter Beobachtung“ berichtete Temelli. Sogar die Anwälte der Festgenommenen seien selbst festgenommen worden.

Wahlkampf beginnt mit Gewalt

Die AKP/MHP-Koalition sei mit Gewalt und Drohungen in den Wahlkampf für die im nächsten Frühjahr angesetzten Kommunalwahlen gezogen, sagte der HDP-Vorsitzende, der die Öffentlichkeit dringend dazu aufrief, sich für ein Ende der Gewalt einzusetzen.

Auf die Frage, ob unter den Festgenommenen potentielle Kandidatinnen und Kandidaten der HDP gewesen seien und welchen Einfluss die jüngsten Verlautbarungen des türkischen Präsidenten Erdoğan auf die Wahlvorbereitungen hätten, antwortete Temelli:

„Unser Wahlkampf hat bereits begonnen. Alle Festgenommenen sind erfahrene Freundinnen und Freunde, die mit den Vorbereitungen auf die Wahlen befasst waren. Wie immer sind die Anschuldigungen gegen sie erfunden. Es geht darum, den Wahlkampf der HDP zu behindern. Da die HDP an der Wahlurne nicht geschlagen werden kann, wird Gewalt angewendet. Die Kandidatenaufstellung hat jedoch noch nicht begonnen, niemand der Festgenommenen war Kandidat oder Kandidatin.“

Festnahmen aufgrund von Denunziation?

Auf die Frage von Journalisten, wie er die Erklärung des Innenministeriums bewerte, dass die Festnahmen aufgrund einer Anzeige erfolgt seien, erklärte Temelli: „Dabei handelt es sich um eine Technik der psychologischen Kriegsführung, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. Alle unsere Freundinnen und Freunde, die sich bereits im Gefängnis befinden, sind mit erfundenen Geschichten von anonymen Anzeigen und verdeckten Zeugen inhaftiert worden. Was wir in den letzten Tagen erleben, ist nichts anderes. Es gibt keinerlei Beweismittel. Das einzige, was es gibt, ist eine Polizeibehörde, die Erdoğans Verlautbarungen als Auftrag auffasst und entsprechend vorgeht.“