Tausende verabschieden Mehmet Candemir
Der kurdische Politiker Mehmet Candemir, der gestern in einem türkischen Gefängnis in Giresun gestorben ist, wurde unter großer Anteilnahme an seinem Geburtsort Êlih beigesetzt.
Der kurdische Politiker Mehmet Candemir, der gestern in einem türkischen Gefängnis in Giresun gestorben ist, wurde unter großer Anteilnahme an seinem Geburtsort Êlih beigesetzt.
Der DBP-Politiker Mehmet Candemir wurde in Êlih (tr. Batman) von Tausenden von Menschen auf seine letzte Reise begleitet. Der kurdische Politiker ist im Gefängnis Giresun-Espiye an der Schwarzmeerküste ums Leben gekommen. Laut der Vollzugsleitung soll der 60-Jährige in seiner Zelle einen tödlichen Herzinfarkt erlitten haben. Dass er an Herzproblemen gelitten haben könnte, war nicht bekannt. „Wir haben am vergangenen Freitag noch mit meinem Bruder telefoniert. Er sagte, dass es ihm gut gehe und wir nicht besorgt um ihn sein sollten“, so Ahmet Candemir. 2015 saß Mehmet Candemir schon einmal im Gefängnis. Während der knapp einmonatigen Untersuchungshaft in einer Vollzugsanstalt in Kırıkkale war der Politiker vom Wachpersonal gefoltert worden.
Der Leichnam Candemirs, der am Montagabend von seiner Familie abgeholt wurde, wurde mit einem Konvoi von Amed nach Êlih überführt. Der Konvoi wurde in der Ortschaft Girêsîra von Soldaten angehalten und an der Weiterfahrt gehindert. Auf den Protest der Anwesenden hin mussten die Soldaten die Straße freigeben.
Candemirs Leichnam wurde auf den Friedhof von Asri gebracht und von Tausenden von Menschen mit der Parole „Şehîd namirin" (Die Gefallenen sind unsterblich) begrüßt. Nach der Ausführung religiöser Rituale wurde der Leichnam auf den Friedhof gebracht. Candemirs Familie, die Bewegung Freier Frauen (TJA), die DBP-Vorsitzenden Saliha Aydeniz und Keskin Bayındır, die Sprecherin des HDP-Frauenrates, Ayşe Acar Başaran, die HDP-Abgeordneten Feleknas Uca und Mehmet Rüştü Tiryaki, die Bürgermeister:innen Songül Korkmaz und Mehmet Demir, Vertreter:innen der Vereinigung der Friedensmütter, des Vereins der Familien, die Angehörigen verloren haben (MEBYA-DER), des Solidaritätsvereins der Familien von Gefangenen (TUAY-DER) sowie weitere Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen und viele Menschen der Stadt nahmen an der Beerdigung teil.
Die Ko-Vorsitzende der DBP, Saliha Aydeniz, wies darauf hin, dass Tausende von Menschen nach Feindstrafrecht inhaftiert seien, und sagte: „Unser Freund Mehmet wurde im Gefängnis, wo er als Geisel gehalten wurde, getötet. Er hat sein Leben für sein Volk verloren. Als Folge der völkermörderischen Mentalität der AKP starb unser Genosse im Gefängnis. Wir werden den Kampf in seinem Sinne weiterführen und seinen Kampf zum Sieg führen. Dafür werden wir ständig kämpfen müssen. Şehîd namirin!“
Über 80 tote Gefangene innerhalb eines Jahres
In Gefängnissen der Türkei sterben wöchentlich politische Gefangene. „Selbstmord“ oder „Tod durch Krankheit“ sind die Diagnosen, die von der türkischen Gerichtsmedizin gestellt werden. Doch an den Todesursachen gibt es massive Zweifel. Familienangehörige und Menschenrechtsorganisationen berichten immer wieder, dass die meisten der verstorbenen Gefangenen entweder exekutiert oder durch Repression, Folter und Drohungen in den Selbstmord getrieben wurden. Nach Angaben des Menschenrechtsvereins IHD starben zwischen 2021 und 2022 87 Gefangene in türkischen Gefängnissen (Stand Juli 2022).