Straßburg: Kein Frieden ohne Öcalan

Die Demonstration in Straßburg zum Jahrestag der Verschleppung Abdullah Öcalans war geprägt von Forderungen, den PKK-Begründer aus der Haft zu entlassen, damit er unter freien Bedingungen einen Lösungsprozess für die kurdische Frage führen kann.

Isolationshaft aufheben

Die Demonstration in Straßburg anlässlich des Jahrestags der völkerrechtswidrigen Verschleppung Abdullah Öcalans in die Türkei war geprägt von Forderungen, den Begründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) aus der Haft zu entlassen, damit er unter freien Bedingungen einen Lösungsprozess für die kurdische Frage führen kann. So lautete auch das Motto der Veranstaltung, nämlich „Freiheit für Abdullah Öcalan – Eine politische Lösung für die kurdische Frage“. 26 Jahre der Geiselhaft unter den Bestimmungen eines eigens für ihn installierten Ausnahmezustandsregimes auf der Gefängnisinsel Imrali und einer sich stetigen Verschärfung des Krieges in Kurdistan seien genug, nun müsse es Frieden geben, lautete der Tenor der Veranstaltung. Den könne es in der Türkei aber nur mit Öcalan geben. Die türkische Regierung wurde mit Blick auf unklare Signale im Zuge der Debatte über einen neuen Dialogprozess zwischen dem kurdischen Vordenker und Ankara zur Ernsthaftigkeit gemahnt.


Kurdische Gesellschaft bereit für Friedensgespräche

Bis zu 20.000 Menschen waren am Samstag nach Straßburg gekommen. Die meisten aus Frankreich, aber auch aus Belgien, der Schweiz und aus Teilen Deutschlands reisten Kurd:innen und Unterstützer:innen in die Stadt im Elsass. Den Auftakt der Demonstration bildete ein Zusammentreffen mit einem langen Marsch zu der alljährlichen Großveranstaltung, der vor 26 Tagen in der französischen Gemeinde Lannester bei Lorient begonnen hatte. Vom Boulevard de Lyon zog die Demonstration am frühen Nachmittag los – laut, bunt und kämpferisch. Es ging zum Parc de l'Étoile, wo zwei Bühnen aufgebaut worden waren. Das Programm wechselte zwischen politischen Reden und musikalischen Beiträgen. Worte zur Eröffnung kamen von den Ko-Vorsitzenden des kurdischen Europadachverbands KCDK-E, Zübeyde Zümrüt und Engin Sever. Sie betonten, dass die kurdische Gesellschaft bereit sei für Friedensgespräche, das habe auch die große Beteiligung an der Demonstration gezeigt. In diese müsse aber Öcalan einbezogen werden. Nur so könne es einen gerechten Frieden geben.


Solidarität mit den Kurd:innen und Brief von Varisheh Moradi

Die Les Écologistes-Abgeordnete Sandra Regol forderte ebenfalls Öcalans Freilassung. „Als Ökologiepartei unterstützen wir den Widerstand des kurdischen Volkes. Es ist ein legitimer Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung, dem unsere Solidarität gilt. Die kurdische Frage muss gelöst werden, um das Ende von Unterdrückung und Krieg und den Beginn von Frieden einzuleiten.“ Nach Regol trat die kurdische Politikerin Zeyneb Murad, die Ko-Vorsitzende des Nationalkongress Kurdistan (KNK) ist, auf die Bühne. Sie sprach Öcalan „volles Vertrauen“ aus und sicherte ihm bei einem möglichen Friedensprozess die Unterstützung der Gesellschaft zu. Auch der Europavertreter der Patriotischen Union Kurdistans (YNK), Şêx Şemal sagte: „Wir vertrauen Abdullah Öcalan und stehen hinter ihm und seinen Lösungsvorschlägen.“


Im weiteren Verlauf wurde ein Brief von Varisheh Moradi verlesen. „Die Freiheit Abdullah Öcalans ist nicht nur der Schlüssel zu einer Lösung der kurdischen Frage und Frieden im Nahen Osten, sondern auch das Signal, das die Mauern der Gefängnisse zum Einstürzen bringen wird. Er ist nicht nur der Repräsentant der Kurdinnen und Kurden, sondern aller unterdrückten Völker. Ich fordere, dass Öcalan freikommt und seine Rolle in dem Aufbauprozess eines freien und demokratischen Lebens spielen kann.“ Moradi ist Aktivistin der Gemeinschaft der freien Frauen Ostkurdistans (KJAR). Sie befindet sich im berüchtigten Evin-Gefängnis in der iranischen Hauptstadt Teheran in Haft. Ihr droht aufgrund eines Todesurteils die Hinrichtung.

In den Reden wurde aber auch Kritik an der Haltung des türkischen Staates formuliert. Der Grund: Im Oktober kam es in der Türkei zu Äußerungen von Regierungsmitgliedern, die als mögliche Zeichen der Bereitschaft gewertet wurden, einen Friedensprozess mit der PKK zu beginnen. Unter anderem hatte der rechtsextreme Koalitionspartner der Erdoğan-Partei AKP gefordert, Öcalan solle im türkischen Parlament reden und die Auflösung der PKK verkünden. Kurz darauf erhielt der 75-Jährige erstmals seit Jahren wieder Besuch von einem Familienangehörigen. Im Dezember und Januar besuchte ihn dann eine Abordnung der DEM-Partei im Gefängnis. Öcalan äußerte dabei, einen türkisch-kurdischen Friedensprozess zur Lösung der Kurdistan-Frage unterstützen zu wollen und deutete seine grundsätzliche Bereitschaft zu einem Ende des bewaffneten Kampfes der PKK an. Dafür müsse es aber vertrauensbildende Maßnahmen wie etwa die Aufhebung der Isolationshaft auf Imrali geben. Die blieben bisher aus.

Irischer Senator kritisiert Zwangsverwaltung und Krieg in Rojava

„Ankara fordert Zugeständnisse von kurdischer Seite, geht aber gleichzeitig hart gegen die kurdische Bevölkerung vor“, hob der irische Senator Paul Gavan von der Sinn Féin hervor. Die Kriegshandlungen gegen Nord- und Ostsyrien, die Absetzung von gewählten Bürgermeister:innen der DEM-Partei sowie die Festnahmewellen gegen kritische Journalist:innen zeigten, dass Ankara nicht zu Zugeständnissen bereit sei und immer noch systematisch gegen die kurdische Bevölkerung vorgehe. Gavan kritisierte auch, dass unrechtmäßige Handlungen der Türkei häufig von der internationalen Gemeinschaft ignoriert würden. „Die wenigsten der rechtswidrigen Aktionen des türkischen Staates an Kurden schaffen es in die Medien, geschweige denn auf die Tagesordnung der Politik. „Dabei verübt Ankara Kriegsverbrechen“, so Gavan.


Freiheit für das kurdische Volk

Der Senator erinnerte sich an die Worte Öcalans, die er vor zwölf Jahren während des damaligen Dialogprozesses sagte: „Wir müssen die Waffen zum Schweigen bringen und Ideen zur Lösung und Politik sprechen lassen“. Er rief auch alle unterdrückten Völker auf, eine neue Allianz zu bilden und eine demokratische Moderne aufzubauen. Diese Worte müssen nun beantwortet werden. Er hat eine demokratische Herausforderung an alle Völker der Region gerichtet. Lassen Sie uns heute auf diesen Aufruf antworten und eine neue Zukunft für alle aufbauen. Freunde, es gibt eine Chance für eine bessere Zukunft in einer vom Krieg geplagten Region, aber sie ist nur möglich durch die Einbeziehung der kurdischen Freiheitsbewegung. Die Voraussetzungen für den Fortschritt sind jedoch Dialog und Einbeziehung. Diese Prinzipien sollten die Forderung all derer sein, die eine neue Zukunft in der Region aufbauen wollen. Freiheit für Öcalan! Freiheit für das kurdische Volk!“

Nach weiteren Reden wurde die diesjährige Demonstration in Straßburg beendet.