In Stockholm ist am Sonntagnachmittag gegen die Verschärfung der schwedischen Terrorgesetze demonstriert worden. Aufgerufen zu dem Protest, der sich gleichermaßen gegen den geplanten NATO-Beitritt des skandinavischen Landes richtete, hatte das Netzwerk Alliance against NATO; ein Bündnis aus kurdischen Organisationen, der schwedischen Klimagerechtigkeitsbewegung sowie linken, anarchistischen und feministischen Gruppen. Ihr Motto lautete: „Nein zur NATO, keine Erdoğan-Gesetze in Schweden“. Unter den rund tausend Beteiligten befanden sich auch viele politische Persönlichkeiten, Menschenrechtler:innen und Intellektuelle.
In Schweden sind seit vergangener Woche neue Anti-Terror-Gesetze in Kraft, mit denen die Beteiligung an sowie die Förderung, Stärkung und Unterstützung einer „terroristischen Organisation“ im In- und Ausland kriminalisiert und mit Gefängnis von bis zu acht Jahren bestraft wird. Die Gesetzesänderung war eine Schlüsselforderung der Türkei, um einem NATO-Beitritt Schwedens zuzustimmen. Unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Stockholm 2022 die Aufnahme in das westliche Verteidigungsbündnis beantragt. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan wirft dem skandinavischen Land vor, ein sicherer Hafen für „Terroristen“ zu sein, besonders für kurdische Oppositionelle sowie Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Seit einem Jahr verweigert er durch sein Veto die Aufnahme Schwedens in die NATO. Erdoğan fordert eine härtere Gangart gegen kurdische Aktivist:innen, die er als „Terroristen“ betrachtet. Stockholm setzt nun darauf, dass die schärfere Gesetzgebung die türkische Blockade des schwedischen NATO-Beitritts lösen kann.
Anti-Terror-Gesetze „Geschenk an einen Diktator“
„Wir sind hier, um Ulf Kristersson und Tobias Billström zu sagen, dass sie die schwedische Politik nicht dem Regime der Türkei überlassen sollen. Es liegt am schwedischen Volk, zu entscheiden“, sagte der linke Abgeordnete Daniel Riazat zum Auftakt der Demonstration auf dem Platz Norra Bantorget in der Stockholmer Innenstadt. Er bezeichnete das neue Anti-Terror-Gesetz als „Geschenk an einen Diktator“ und Instrument zur Kriminalisierung von politischen Gruppen und Freiheitsbewegungen. Viele Menschen in dem Land seien besorgt, dass nun „Erdoğansche Regeln“ in Schweden gelten würden. „Dies ist eine große Schande für die Demokratie und die freiheitliche Identität Schwedens“, sagte Riazat. Zugleich kritisierte der Parlamentarier den anvisierten NATO-Beitritt Schwedens. Dieser würde dem traditionellen Credo „blockfrei im Frieden, neutral im Kriegsfall“ widersprechen.
„Nein zur NATO – Kein Pakt mit Faschisten“
Eine Sprecherin des Netzwerks Alliance against NATO äußerte, die neuen Terrorgesetze bedrohten die Demokratie und Meinungsfreiheit. Sie befürchte eine weitreichende Kriminalisierung von legitimen Befreiungskämpfen und Widerständen und eine krasse Einschränkung der Versammlungsfreiheit, gerade hinsichtlich schwammig formulierter Definitionen. Daher dürfte fortan auch die Solidaritätsarbeit in Schweden in Gefahr sein. Nach weiteren Reden startete die Demonstration hinter einem Fronttransparent mit der Aufschrift „Nein zur NATO – Kein Pakt mit Faschisten“. Der Zug führte unter einem roten Fahnenmeer mit Flaggen der PKK und kämpferischen Parolen wie „Hoch die internationale Solidarität“, „Jin, Jiyan, Azadî“ und „Keine Erdoğan-Gesetze in Schweden“ durch die City bis in die Altstadt. Auf dem Mynttorget-Platz unweit des Regierungssitzes mündete der Marsch in eine Abschlusskundgebung. Kurz vor der Ankunft gab es auf einer Brücke allerdings noch einen Banner-Drop mit einer PKK-Fahne.
Serhado: Schweden unterstützt Diskreditierung des kurdischen Widerstands
Das Programm wurde sodann mit einer Perfomance des kurdischen Rap-Künstlers Serhado eröffnet, der zwischen seinen Songs politische Statements abgab: „Die PKK ist nicht nur eine Partei, sie ist eine Bewegung mit einer Ideologie, mit der sich Millionen von Menschen identifizieren – nicht nur Kurdinnen und Kurden“, sagte der Sänger mit Blick auf das herkunftsmäßig breit gemischte Publikum. Er bezeichnete die PKK als Befreiungsbewegung Kurdistans und Partei in einem bewaffneten Konflikt. Zudem kritisierte er, dass die Diskreditierung des kurdischen Widerstands gegen die Unterdrückung durch den türkischen Staat von Schweden unterstützt werde. Es sei ein schwerwiegender Fehler, die Kurdinnen und Kurden im Land mit dem türkischen „Terror“-Etikett zu versehen.