Siko-Proteste in München: „Stoppt den Angriffskrieg in Efrîn“

Die Vorbereitungen zur morgigen Antikriegsdemonstration in München laufen auf Hochtouren. Über 100 Organisationen aus ganz Deutschland unterstützen die Proteste.

Ab heute Abend werden sich im Münchner Luxushotel Bayerischer Hof bei der „54. Münchner Sicherheitskonferenz“ auch wieder Kriegsverbrecher versammeln.

Gegen zwei Teilnehmer hat das „Aktionsbündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz“ vorgestern Strafanzeige wegen „Führung eines Angriffskrieges, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ nach dem Völkerstrafgesetzbuch erstattet: „Wir fordern von den deutschen Justizbehörden und der Polizei, den türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım und den türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu zu verhaften, in Untersuchungshaft zu nehmen und zu den oben genannten Verbrechen ein Ermittlungsverfahren einzuleiten“, sagte Bündnissprecher Claus Schreer gegenüber ANF. Zwar haben alle namhaften deutschen Experten den Angriff der türkischen Armee auf Efrîn als „klaren Bruch des Völkerrechts“ bewertet, doch die Bundesregierung schweigt beharrlich: „Deshalb müssen wir endlich dafür sorgen, dass die deutsche Waffenbrüderschaft und der blutige Flüchtlingsdeal mit der Türkei beendet werden“, so Schreer.

Hände weg von Efrîn – Solidarität mit Rojava

Die Vorbereitungen zur morgigen Antikriegsdemonstration am 17. Februar ab 13 Uhr auf dem Münchner Stachus laufen auf Hochtouren. Über 100 Organisationen aus ganz Deutschland unterstützen die Proteste. Ein Hauptthema ist der Angriffskrieg der Türkei auf Efrîn und der sofortige Stopp aller deutschen Rüstungsexporte: Deshalb hat das Münchner Aktionsbündnis auf seiner letzten Sitzung beschlossen, dass der Block „Hände weg von Efrîn – Solidarität mit Rojava“ an der Spitze der Demonstration laufen wird.

Zu dem Block mobilisiert neben dem Demokratischen Gesellschaftszentrum der KurdInnen NAV-DEM und dem lokalen Efrîn-Bündnis auch die Interventionistische Linke (il). In ihrem Aufruf schreibt die iL dazu: In Afrîn folgen Menschen ihrem Traum von einem freien Leben in Würde. Der Angriff auf Afrîn ist deshalb auch ein Angriff auf unsere Träume und Hoffnungen. Der Kampf gegen den Angriff auf Afrîn ist auch unser Kampf!“ Bereits bei der Auftaktkundgebung wird Ayten Kaplan, Ko-Vorsitzende von NAV-DEM, zur aktuellen Situation sprechen.

Aktionsbündnisses klagt gegen das Verbot kurdischer Symbole

Das Kreisverwaltungsreferat München (KVR) hat für die morgige Demonstration alle kurdischen Symbole, die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft und der Polizei einen Bezug zur PKK haben könnten, verboten. Für Claus Schreer ein ungeheurer Skandal: „Abdullah Öcalan befindet sich seit 19 Jahren als politischer Gefangener in türkischer Isolationshaft. Die Volksverteidigungseinheiten YPG und die Frauenverteidigungseinheiten YPJ waren die entscheidenden Kräfte, die die Terrorbanden des IS in Nordsyrien vertrieben haben und die jetzt den nordsyrischen Kanton Efrîn gegen den Angriff der türkischen Armee verteidigen.“ Es sei ein rechtswidriger Akt politischer Zensur, wenn die Behörden es jetzt verbieten wollen, aus Solidarität mit den Menschen in Efrîn die Symbole der YPG und YPJ zu zeigen oder mit Fotos die Freilassung von Abdullah Öcalan zu fordern. Das Zeigen von Fotos oder Abbildungen eines politischen Gefangenen mit der Forderung seiner Freilassung verhindern zu wollen, komme einer „doppelten Auslöschung“ gleich.

Klage gegen Auflagenbescheid

Deshalb hat das Aktionsbündnis gestern Klage gegen den Auflagenbescheid des KVR beim Verwaltungsgericht München eingereicht. Notfalls wolle man durch alle Instanzen klagen. Denn das Münchner Bündnis sieht in den Verboten einen schwerwiegenden Angriff auf das Recht der Meinungsfreiheit, das in Artikel 5 des Grundgesetzes verankert ist. Dieses Recht auf freie Meinungsäußerung dürfe nicht willkürlich aus staatlichen Interessen eingeschränkt und mit polizeilicher Gewalt angegriffen werden. In einer gemeinsamen Erklärung schreibt das Münchner Aktionsbündnis: „Es ist das gute Recht aller Kurdinnen und Kurden und das Recht aller Demokraten die Freilassung von Abdullah Öcalan zu fordern, so wie es das Recht der Anti-Apartheid Bewegung war, für die Freilassung Nelson Mandelas zu kämpfen.“ Ebenso sei das Zeigen der Symbole der YPG und YPJ, die in Deutschland nicht verboten seien, vom Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit gedeckt. Die aktuellen Verbote des KVR und die angekündigten Repressions-Maßnahmen der Polizei seien deshalb ein inakzeptabler und nicht hinnehmbarer Verstoß gegen unveräußerliche Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Versammlungsfreiheit. Diese Praxis müsse endlich grundsätzlich beendet werden: „Wir fordern deshalb die Aufhebung des PKK-Verbots und aller damit verbundenen Maßnahmen der Kriminalisierung der Kurdinnen und Kurden in Deutschland“, so Schreer. Es sei absurd, dass Deutschland in einem vereinten Europa Fahnen und Parolen von Befreiungsbewegungen und Verteidigungskräften wie der YPG und YPJ verbiete und kriminalisiere, die man in anderen europäischen Ländern frei zeigen dürfe.

Auch Linke und Grüne verurteilen die „Eskalationsstrategie“

„Die Verbote von Antikriegsprotesten in Deutschland dienen nur der Fortsetzung der Kriegsverbrechen der Türkei und müssen sofort zurückgenommen werden“, fordert Cetin Oraner, Musiker und Stadtrat der Partei „Die Linke“ im Münchner Rathaus.

Auch die Münchner Grünen kritisieren das Verhalten der Sicherheitsbehörden scharf: „Proteste gegen den Krieg der türkischen Regierung in Efrîn dürfen nicht mit einer Eskalationsstrategie seitens der Polizei verhindert werden“, so Sylvio Bohr, Vorsitzende der Münchner Grünen. Gülseren Demirel, Fraktionsvorsitzende der Grünen-Rosa Liste im Münchner Stadtrat, erinnert daran, dass noch vor zwei Jahren YPG, YPJ und PYD als Verbündete im Kampf gegen den IS galten: „Nun werden diejenigen, die sich mit ihnen solidarisieren, kriminalisiert“.

Klage vor dem Internationalen Strafgerichtshof in den Haag

Deutsche und kurdische JuristInnen und VölkerrechtlerInnen vom Verein für Demokratie und internationales Recht (MAF-DAD e.V.) bereiten derzeit eine Strafanzeige gegen die türkische Regierung wegen Kriegsverbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag vor. Das kündigte der Hamburger Völkerrechtsexperte Prof. Norman Paech in einer Stellungnahme für das Münchner Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz vom Mittwoch an: Den Angriff der Türkei auf den Kanton Efrîn in Nordsyrien bewertet Paech darin als einen „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“, der nach dem Statut des Internationalen Strafgerichtshof (IGH-Statut, Römisches Statut) definiert wird als „die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer Angriffshandlung, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt“. Dieser Angriff sei weder durch ein Mandat des UN-Sicherheitsrats nach Art. 39/42 UN-Charta noch durch Selbstverteidigung gem. Art. 51 UN-Charta gerechtfertigt. „Türkisches Territorium wurde von Efrîn aus weder angegriffen noch droht ein Angriff in der Zukunft. Erklärtes Ziel der türkischen Armee sind die Vernichtung der kurdischen Verteidigungskräfte YPG und die Kontrolle der kurdischen Gebiete im Norden Syriens. Diese Ziele werden vom Völkerrecht nicht gedeckt“, stellt Prof. Paech klar. Insbesondere durch die Luftangriffe auf zivile Ziele und die Tötung von Zivilisten habe sich die türkische Regierung und Armee dabei auch schwerer Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen Menschlichkeit schuldig gemacht.

Die deutsche Regierung leistet Beihilfe zum Angriffskrieg

„MAF-DAD wird ebenso Beweise dafür vorlegen können, dass die türkische Armee nur deswegen ihre Angriffe mit dieser zerstörerischen Kraft vorantreiben kann, weil sie über Kriegsgerät aus deutscher Produktion, Panzer, Motoren und Handfeuerwaffen, verfügt. Diese wurden ihr durch deutsche Unternehmen mit der Genehmigung der Bundesregierung verkauft. Dies ist eine aktive Unterstützung und Beihilfe zu den von der Türkei verübten völkerrechtlichen Verbrechen. Waffen sind dazu da, im Krieg eingesetzt und nicht nur auf Paraden oder bei Truppenübungen gezeigt zu werden. Das ist der deutschen Regierung immer bewusst gewesen. Es hat schon vorher den Einsatz deutscher Waffen im Krieg gegen die Kurden in der Türkei gegeben“, so Prof. Paech: „Die deutsche Bundesregierung hat sich der Beihilfe zu den von der türkischen Armee verübten Verbrechen schuldig gemacht.“