Seit fünf Tagen Sitzstreik der Friedensmütter im Parlament

Der Sitzstreik der Friedensmütter im Gebäude der Nationalversammlung der Türkei dauert nun bereits fünf Tage an.

Seit fünf Tage schallen die Klagelieder und Parolen der Friedensmütter durch die Fraktionsebene der Demokratischen Partei der Völker (HDP) im Gebäude der Nationalversammlung der Türkei. Die Aktion stellt ein Novum in der Geschichte der Republik Türkei dar. Die Mütter erklären, sie werden das Parlament nicht verlassen, bevor die Isolation des kurdischen Friedenspolitikers Abdullah Öcalan aufgehoben und der Hungerstreik beendet ist.

Die weißen Kopftücher der Mütter sind ein Symbol des Widerstands für den Frieden geworden. Friedensmütter protestieren auch immer wieder vor den Gefängnissen in Gebze, Bakırköy, Amed (Diyarbakir), Qoser (Kızıltepe), Silopiya (Silopi), Riha (Urfa) und vielen anderen Haftanstalten, in denen sich ihre Kinder im Hungerstreik befinden. Überall, wo sie protestieren, werden sie zur Zielscheibe von Polizeigewalt. Sie versuchen jedoch weiterhin als Stimme ihrer streikenden Kinder aufzutreten und haben nun mit einer Delegation von 21 Müttern ihren Protest in die türkische Nationalversammlung getragen.

Die 21 Mütter kommen aus Amed, Mêrdin, Êlih (Batman), Sêrt (Siirt), Wan und anderen Regionen und befinden sich seit fünf Tagen im Fraktionssaal der HDP im Sitzstreik. Die Mütter schlafen in dem Saal, brechen ihr Fasten dort und verrichten ihr Morgengebet. Sie stehen um 7.00 Uhr auf und verbringen den ganzen Tag im Saal. Das erste, was die Mütter am Morgen tun, ist ein Blick auf die Nachrichten, auf der Suche nach guten Neuigkeiten. Eine Mutter erklärt ihre Situation: „Sobald wir morgens den Fernseher anschalten, das Telefon klingelt oder die Tür aufgeht, werden wir aufgeregt, weil wir eine gute Nachricht erwarten.“

Während tagsüber immer wieder HDP-Abgeordnete kommen, um mit den Müttern zu sprechen, haben sie dennoch immer ein Auge auf den Fernseher gerichtet. Sie verfolgen die Übergriffe in den Gefängnissen und auf die Mütter draußen genau. Die Mütter reagieren wütend und entschlossen ob der Polizeigewalt gegen die protestierenden Frauen.

Yesure Tufan ist Mutter des seit 78 Tagen hungerstreikenden Gefangenen Aziz Tufan. Sieben ihrer Neffen befinden sich in verschiedenen Gefängnissen im unbefristeten Hungerstreik. Sie unterstützt ihre Neffen und ihren Sohn mit Briefen aus dem Parlament. In den 90er Jahren verlor Tufan bei zwei Schwangerschaften drei Kinder durch den Hubschrauberbeschuss ihrer Heimatstadt Licê. „In den 90er Jahren hat der Staat drei meiner Kinder umgebracht, meine acht Monate alten Zwillinge und mein sieben Monate altes Baby“, erzählt sie. „Jetzt ist mein Sohn im Hungerstreik. Sein Körper wird jeden Tag schwächer.“ Sie kündigte an, nicht nach Hause zu gehen, bevor der Hungerstreik keine Ergebnisse zeigt.

Vorher auf der Straße und jetzt im Parlament“

Feride Demir, die Mutter des seit dem 1. März hungerstreikenden politischen Gefangenen Mazlum Demir erklärte: „Wir haben versucht unsere Stimme auf den Straßen von Amed hörbar zu machen, aber wir wurden nicht gehört, jetzt sind wir im Parlament und verschaffen uns Gehör.“ Sie forderte, dass die Regierung dringend Schritte bezüglich der Hungerstreiks einleiten solle: „Für uns geht es jetzt um Sekunden, wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Sie berichtet, ihr Sohn habe 13 Kilo abgenommen: „Ich mache zu Hause kein Essen mehr. Wir sind voller Hoffnung gekommen und geben diese Hoffnung niemals auf – Widerstand heißt leben.“

Von der Polizei über den Boden geschleift …

Auch Havlet Öncü, die Mutter, die von der Polizei bei einer Kundgebung zur Unterstützung der Hungerstreiks in Qoser über den Boden geschleift und geschlagen worden war, ist jetzt im Parlament. „Wir werden unseren Widerstand niemals aufgeben“, betonte sie.

Ein historisches Novum

Die Protestaktion der Mütter im Parlament stellt ein Novum in der Geschichte der Türkei dar. Die Mütter haben sich zunächst über die Erklärung des Justizministers Abdülhamit Gül gefreut, dass das Besuchsverbot Öcalans aufgehoben worden sei. Da diese Entscheidung noch nicht umgesetzt wurde und die Hungerstreiks weitergehen, sind sie entschlossen, ihre Aktion ebenfalls fortzusetzen.“