„Russische Zusammenarbeit mit Erdogan hat schwere Folgen“

Der russische Mittelostexperte Semen Arkadjewitsch Bagdasarov hat sich im ANF-Interview in Moskau zur Situation in Syrien und Arzach (Bergkarabach) und zur Beziehung zwischen Russland und der Türkei geäußert.

Der russische Mittelostexperte Semen Arkadjewitsch Bagdasarov hat sich im ANF-Interview in Moskau zur Situation in Syrien und Arzach (Bergkarabach) und zur Beziehung zwischen Russland und der Türkei geäußert. Der pensionierte Oberst ist Präsident des Studienzentrums für Länder des Mittleren Osten und bezeichnet die mit dem türkischen Präsidenten Erdogan gegründete Freundschaft als sehr schädlich für Russland.

Aufgrund des immer noch andauernden Krieges in Syrien sei der Mittlere Osten weiterhin eine instabile Region, erklärt Arkadjewitsch Bagdasarov und schlägt als Lösung vor: „Es sieht so aus, dass der Krieg in Syrien nicht in absehbarer Zeit aufhören wird. Dafür muss der türkische Kolonialismus in der Region beendet werden. Darum sollte die Regierung in Damaskus mit den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) gegen den türkischen Kolonialismus zusammenarbeiten.“

Der Mittelostexperte weist darauf hin, dass die vom Erdogan-Regime kontrollierten Milizen nicht die Absicht haben, Azaz, Efrîn, Dscharablus oder andere besetzte Gebiete aufzugeben: „Erdogan ist ein gerissener Politiker und versteht nur die Sprache der Macht. Deshalb denke ich, dass der türkische Kolonialismus in Syrien nur durch den gemeinsamen Kampf aller Kräfte beendet werden kann. Syrien hat eine starke Armee und auch die QSD sind stark. Beide Kräfte müssten sich gegen den gemeinsamen Feind vereinen.“

Die Instabilität der Region werde von der Türkei verursacht. Das Regime in Ankara stifte nicht nur in Syrien Zwietracht, sondern auch im Irak, in Libyen und aktuell in Arzach. In der Arzach-Krise werde Armenien von vielen muslimischen Ländern unterstützt, so Arkadjewitsch Bagdasarov:

„Der türkische Staat verfolgt eine aggressive Politik gegen seine Nachbarländer und will seine Grenzen erweitern. Es findet einerseits eine Krise mit Griechenland und Zypern statt, auf der anderen Seite besetzt er Syrien und den Irak und ist auf der Seite von Aserbaidschan in den Krieg um Arzach eingetreten. Die Türkei macht das als Machtdemonstration. Erdogans einziges Ziel ist die Neugründung des Osmanischen Reich. Er will die Region wie die Osmanen beherrschen.“

Auch in dem wieder aufgeflammten Konflikt in Arzach spiele die Türkei eine ausschlaggebende Rolle, sagt der russische Experte und erinnert an die Aussage des aserbaidschanischen Machthabers Ilham Alijew auf einer Konferenz der sogenannten „Turk-Republiken“: „Wir müssen Armenien auslöschen und die Turkstaaten vereinen.“ Arkadjewitsch Bagdasarov erklärt dazu: „Das Regime in Ankara ist unter der Devise ,Ein Staat – eine Nation' mit seiner gesamten militärischen Kraft in den Krieg eingetreten. Die türkische Luftwaffe bombardiert sogar zu Armenien gehörende Punkte in Arzach.“

Laut Arkadjewitsch Bagdasarov hat der türkische Staat in Syrien eine Söldnerarmee aufgebaut, die aus 80.000 bis 100.000 Milizionären besteht. Seiner Schätzung nach werden zwischen 1500 und 2000 dieser Söldner in Arzach eingesetzt. Die Türkei leiste nicht nur militärische und logistische Unterstützung, sondern sei aktive Kriegspartei.

Neben Syrien müsse auch Russland die zu einem wesentlichen Teil aus den kurdischen Verteidigungseinheiten YPG bestehenden QSD aktiv unterstützen: „Wir müssen akzeptieren, dass die Kurden ein wichtiger Akteur in der Region sind. Wenn wir nicht mit den Kurden zusammenarbeiten, wird Erdogan den Krieg gewinnen.“ Syrien und Armenien müssten gute Beziehungen zum kurdischen Befreiungskampf aufnehmen, so Arkadjewitsch Bagdasarov weiter: „In den 1930er Jahren hat die kurdische Organisation Xoybûn die Armenier dazu aufgefordert, sich gegen den gemeinsamen Feind zusammenzuschließen. Heute müsste Armenien den gleichen Aufruf an die Kurden richten. Die organisierten kurdischen Kräfte, insbesondere die PYD, sollten erklären, dass sie im Karzach-Krieg auf der Seite Armeniens stehen. Meiner Meinung nach sollten Karzach und Rojava ein Bündnis gründen, das auch eine militärische Zusammenarbeit einschließt. Eine solche Initiative wäre für uns alle wesentlich. Wir haben es mit einem starken Feind zu tun, warum sollten wir also unsere Kräfte nicht vereinen und damit stärker werden.“

Die zur Putin-Zeit mit dem Erdogan-Regime geschlossene Allianz hält der Mittelostexperte für einen „sehr falschen Schritt“. Er appelliert an Moskau, diesen Fehler zu berichtigen. Die Zusammenarbeit mit der Türkei werde für Russland schwere Folgen haben: „Diese in Syrien begründete Freundschaft kehrt als Feindschaft zu uns zurück. Die Dschihadisten sind dadurch stärker geworden und die Front gegen uns hat sich vergrößert. Es wird sich nie etwas daran ändern, dass die Türkei in geopolitischer Hinsicht Russlands Feind ist.“