Ruhe in Frieden, Heval Uğur

Uğur Şakar hat sich im Februar aus Protest gegen die Isolation Abdullah Öcalans und die deutsche Kriminalisierungspolitik selbst verbrannt. Am Dienstag wurde er in Neuss beerdigt, im Bewusstsein des kurdischen Volkes wird er weiterleben.

Die Menschen, die 1938 den Völkermord in Dersim erlebt haben, sprechen ebenso wie das armenische Volk nicht über diese finstere Zeit und geben ihre Erinnerungen nicht an die kommende Generation weiter. Sie wollen vergessen, aber das ist nicht möglich. Selbst wenn sie sich nicht erinnern wollen, schwebt das Schwert der staatlichen Unterdrückung ständig über ihren Köpfen. Der Staat will ihre Kultur und ihren Glauben immer noch auslöschen.

Den schweigsamen Alten zum Trotz versuchen die jüngeren Generationen, die Wahrheit über den Genozid aufzudecken. Es sind zahlreiche Bücher geschrieben und Filme gedreht worden, aber das reicht nicht aus. Das Trauma wird von Generation zu Generation weitervererbt.

Einer der Menschen aus der späteren Generation war Uğur Şakar. Seine Eltern stammten aus Dersim, er selbst wurde am 15. September 1975 in Langenfeld in Deutschland geboren. Sein Überlebenskampf begann mit seiner Geburt, denn seine Mutter brachte ihn nach siebenmonatiger Schwangerschaft auf die Welt. Diesen ersten Kampf hat er gewonnen.

Die Familie war patriotisch. Der Vater brannte für seine Heimat und drückte seine Sehnsucht in Gedichten aus, von denen viele von der Musikgruppe Koma Mizgîn vertont wurden.

Uğur wuchs in Langenfeld auf, später zog die Familie nach Krefeld. Die nächste Station in seinem Leben war Neuss.

Seine Freunde beschreiben Uğur Şakar als einen gutherzigen und aufrichtigen Menschen, der dem kurdischen Befreiungskampf sehr verbunden war. Zwanzig Jahre nach der Verschleppung des PKK-Gründers Abdullah Öcalan in die Türkei nahm Uğur an einem der drei langen Märsche nach Straßburg teil. Der Marsch begann in Mannheim und erreichte am zweiten Tag Karlsruhe. Die Polizei griff die Demonstration an, auch Uğur war von der Gewalt betroffen. In Deutschland wurde die Demonstration komplett verboten.

Ein weiterer Vorfall, der Uğur sehr wütend machte, war das Verbot der beiden kurdischen Einrichtungen Mezopotamien Verlag und MIR Multimedia in Neuss. Einem Freund gegenüber sagte er: „Ich begreife die Menschen nicht mehr. Wir machen überhaupt nichts. Ich vermisse die alten Zeiten und unsere kämpferische Haltung. Es muss etwas getan werden, wir müssen die Menschen in Bewegung bringen.“ Niemand konnte jedoch ahnen, was er später tun sollte.

Es war kein Zufall, dass er sich als Schauplatz seiner Aktion das Amtsgericht Krefeld aussuchte. Es liefen Verfahren gegen ihn, weil er sich an demokratischen Aktivitäten kurdischer Einrichtungen in Düsseldorf und Umgebung beteiligt hat. Seine Selbstverbrennung aus Protest gegen die Isolation Abdullah Öcalans am 20. Februar war gleichzeitig eine Reaktion auf die europäische Ignoranz der kurdischen Frage und die bundesdeutsche Kriminalisierungspolitik. Das schrieb er in dem Brief, den er hinterlassen hat.

Uğur Şakar wurde schwer verletzt in eine Duisburger Spezialklinik eingeliefert. Dort sollte er polizeilich vernommen werden, aber die Ärzte ließen es nicht zu. Am nächsten Tag wurde seine Aktion in den deutschen Medien als die Tat eines psychisch Kranken herabgewürdigt. Die polizeilichen Ermittlungen konzentrierten sich auf die Frage, ob die PKK den Befehl zur Selbstverbrennung gegeben habe. Kurdische Einrichtungen teilten umgehend mit, dass Selbstverbrennungen als Aktionsform abgelehnt werden.

Einen Monat später ist Uğur Şakar im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen. Er wurde am 26. März in Neuss beigesetzt. Im Herzen und im Bewusstsein des kurdischen Volkes wird er weiterleben.