Rıfat Çelebi in Nürnberg verstorben

Rıfat Çelebi, der Vater des gefallenen kurdischen Revolutionärs Hüseyin Çelebi, ist am Sonntag in einem Krankenhaus in Nürnberg verstorben.

Rıfat Çelebi ist am Sonntag in einem Krankenhaus in Nürnberg verstorben. Der Vater des gefallenen Revolutionärs Hüseyin Çelebi befand sich seit einiger Zeit in medizinischer Behandlung. Der kurdische Verband FED-GEL bekundet den Hinterbliebenen und dem Volk Kurdistans sein Beileid angesichts des Verlustes und erinnert an die Worte des Verstorbenen, der bei einer der alljährlich vom kurdischen Studierendenverband YXK/JXK durchgeführten Hüseyin-Çelebi-Literaturfestivals an die Jugend appelliert und erklärt hatte: „Ich bin 86 Jahre alt und werde bis zum Grab an diesem Kampf teilnehmen. Fragt euch, wer ihr seid, und nehmt euch eurer Identität und Sprache an.“

Rıfat Çelebi war der kurdischen Freiheitsbewegung eng verbunden und Teil davon. In den 1970er Jahren organisierte er die erste kurdische Solidaritätsdemonstration in Hamburg. In den Neunzigern wurde er in den Nationalkongress Kurdistan (KNK) gewählt und baute die kurdische Rothalbmondorganisation Heyva Sor a Kurdistanê tatkräftig mit auf. Er organisierte die Newrozveranstaltungen und kurdische Demonstrationen in Bayern mit, stand unter anderem in Augsburg im Fokus der Polizei. Er galt zudem als einer der wenigen Menschen in Deutschland, die Begegnungen mit Abdullah Öcalan hatten. Rudolf Bürgel vom Karlsruher Vorstand der Linken, der ein langjähriger Freund von Rıfat Çelebi war, beschreibt ihn mit den Worten: „Rıfat war ein liebenswerter Mensch und kurdischer Sozialist, der immer seine Auffassungen vertreten hat, auch Unbequemes. Er hatte ein großes Herz für die Menschen, war immer zu allem bereit, hat immer für Kurdistan und Freiheit gekämpft, war ein Weggefährte. Ich habe ihn ein halbes Leben gekannt.“

Auch Sabine Skubsch vom Landesvorstand der LINKEN in Baden-Württemberg trauert um Rıfat Çelebi. Auf ihrer Facebook-Seite schreibt sie: „Heute Nacht ist Rıfat Çelebi gestorben. Er stand sein Leben lang an der Seite des kurdischen Freiheitskampfes. Rıfat Amca wurde in einem kurdischen Dorf in Dersim/Türkei geboren. Mit der „Gastarbeiter“-Generation kam er nach Deutschland und arbeitete zuerst in Hamburg. Die letzten Jahrzehnte wohnte er in Nürnberg, wo er - schwer krank – im Alter von 86 Jahren starb.

Rıfat war kommunikativ, immer interessiert an den Menschen, egal ob sie Deutsche, Türken oder Kurden waren. Rıfat nahm kein Blatt vor den Mund, blieb dabei immer freundlich und liebenswürdig. Er sagte seine Meinung, auch wenn es andere nicht taten, und er besaß die Autorität, dass dies akzeptiert wurde.

Rıfat verstand sich als Kurde und als Sozialist. Diese Haltung hat er an seinen Sohn Hüseyin „weitervererbt“, der sich zunächst in der deutschen Linken politisch sozialisierte. Als sich sein Sohn dem Befreiungskampf in Kurdistan anschloss, war sein Vater einerseits unfassbar stolz, andererseits aber auch ein besorgter Vater, der ahnte, dass sein Sohn in diesem Kampf fallen würde.

Rıfat gehörte noch zu den Weggefährten Apos. In den 1990er Jahren wurde er als einer der Vertreter der Kurden in Europa in den kurdischen Nationalkongress gewählt.

Rıfat war mehr als 30 Jahre lang ein Freund unserer Familie. Wir haben immer wieder zusammengesessen und auch Erinnerungen an seinen Sohn Hüseyin ausgetauscht. Wir haben gemeinsam geweint und gelacht. Rıfat Amca, du wirst uns fehlen.“

Wer war Hüseyin Çelebi?

Hüseyin Çelebi wurde am 22. September 1967 als Sohn einer türkischen Mutter und eines kurdischen Vaters in Hamburg geboren, wo er bis zu seinem 18. Lebensjahr aufwuchs. Seine ersten politischen Aktivitäten begannen 1974, als er an einer Demonstration gegen die Abschiebung von 169 Kurden durch den damaligen türkischen Premierminister Ecevit an das Saddam-Regime im Irak teilnahm. Alle 169 Kurden wurden nach der Abschiebung hingerichtet. Nach dem Abbruch seines Studiums widmete sich Hüseyin Çelebi ganz der politischen Arbeit. Er arbeitete vor allem daran, mehr Öffentlichkeit für die kurdische Frage in Deutschland und Österreich zu erreichen. Unter anderem war er Mitbegründer des Studierendenverbands YXK und der Zeitschrift Kurdistan Report.

Im Februar 1988 wurde er mit 20 anderen kurdischen Politikern unter dem Vorwurf des Terrorismus von der bundesdeutschen Regierung festgenommen. Auch während der Haft hörte er nicht auf, für eine gerechte Lösung der kurdischen Frage zu kämpfen. Im Gefängnis tauschte er sich mit anderen politischen Gefangenen aus. Sein Briefwechsel mit der RAF-Gefangenen Christa Eckes ist 2021 als Buch erschienen.

Im Sommer 1991 ging Hüseyin Çelebi nach Kurdistan, er hatte sich für den Guerillakampf entschieden. Mitte Oktober 1992 kam er bei einem Angriff südkurdischer Kollaborateure und der türkischen Armee in der Region Heftanîn in Südkurdistan ums Leben.

Im Gedenken an Hüseyin Çelebi führt der YXK jedes Jahr ein Literaturfestival durch. Rıfat Çelebi nahm an den Veranstaltungen als Ehrengast teil.

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