Rechtsanwalt Demir: Öcalan ist kein gewöhnlicher Gefangener

Rechtsanwalt Cemal Demir aus Wan bezeichnet die Isolation von Abdullah Öcalan auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali als unrechtmäßig und weist auf seinen großen Einfluss in der Türkei und dem Nahen Osten hin.

Abdullah Öcalan befindet sich seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali. Sein Anwaltsteam vom Rechtsbüro Asrin konnte ihn zuletzt im August 2019 besuchen. Das letzte Lebenszeichen war ein aus unbekannten Gründen nach wenigen Minuten unterbrochenes Telefonat mit seinem Bruder im März 2021. Auch eine schriftliche Kommunikation mit Öcalan und seinen drei Mitgefangenen auf Imrali ist nicht möglich.


Rechtsanwalt Cemal Demir sagt, dass die verschärfte Isolation von Abdullah Öcalan nicht hingenommen werden könne: „Die Isolation von Herrn Abdullah Öcalan besteht seit 1999, hat aber in den letzten 30 Monaten eine sehr verschärfte Form angenommen. Es hat keinerlei physischen Kontakt gegeben. Nicht einmal per Telefon konnte ein Kontakt hergestellt werden. Telefon und Brief sind die elementarsten Rechte eines Gefangenen. Aber Herrn Öcalan ist es bis heute nicht erlaubt worden, diese beiden Rechte richtig zu nutzen. Es gibt überhaupt keine Nachrichten von ihm. Die Anwaltskanzlei Asrin hat in der letzten Zeit 437 Anträge an die Generalstaatsanwaltschaft Bursa gestellt. Die Anträge werden nicht entschieden, lediglich in wenigen Fällen wurde das Besuchsrecht mit Verweis auf verhängte Disziplinarstrafen abgelehnt. Diese Begründung ist nicht rechtmäßig.

Abdullah Öcalan ist kein gewöhnlicher Gefangener. Er ist eine Person mit großem Einfluss auf die Kurdinnen und Kurden. Abdullah Öcalans Gedanken, seine Perspektiven, sein Beharren auf Frieden, seine Haltung und seine Verteidigung der Demokratie sind für den Nahen Osten und die kurdische Frage unverzichtbar. Er hat Worte und Gedanken zur Lösung der kurdischen Frage und zur Lösung der komplexen Probleme des Nahen Ostens und der komplexen Politik in der Welt. Wie realistisch, wie richtig und wie notwendig diese Worte und Gedanken sind, hat sich im historischen Prozess immer wieder gezeigt. Deshalb muss diese absolute, verschärfte Isolation von Herrn Abdullah Öcalan um des Friedens der Völker willen so schnell wie möglich beendet werden. Es handelt sich um ein sehr wichtiges Thema für die Kurdinnen und Kurden. Ihre Sensibilität gegenüber Abdullah Öcalan ist sehr intensiv, sehr umfassend und sehr tief."

Demir betont, dass internationale Institutionen bestimmte Verpflichtungen haben, um die Isolation zu beenden: „Zum Beispiel besucht das [Antifolterkomitee des Europarats] CPT von Zeit zu Zeit Gefängnisse in der Türkei. Wir wissen, dass das CPT vor knapp einem Jahr Inspektionen auf Imrali durchgeführt hat. Die vom CPT abgegebenen Erklärungen sind in keiner Weise zufriedenstellend. Es gibt keine zufriedenstellenden Erklärungen über die Bedingungen auf Imrali und die Lebensbedingungen von Abdullah Öcalan. Die Anfragen der Anwaltskanzlei Asrin zu diesem Thema blieben wiederholt unbeantwortet. Daher ist auch der internationale Rechtsmechanismus Teil dieses Konzepts, dieser Gesetzlosigkeit auf Imrali geworden. Unser Aufruf an die nationale und internationale demokratische Öffentlichkeit lautet, Abdullah Öcalan auf der Tagesordnung zu halten. Abdullah Öcalan ist die Versicherung und Garantie für den Frieden im Nahen Osten. Seine Ideen sind sehr, sehr wichtig für dieses Volk und den Nahen Osten. Wir wissen, dass er sehr wichtige Projekte hat. Wenn es heute eine Brücke des Friedens zwischen den Völkern gibt, dann ist das den Projekten und Gedanken von Abdullah Öcalan zu verdanken. Deshalb ist unser Appell an die politische Macht: Diese verschärfte Isolation muss so schnell wie möglich beendet werden, Anwalts- und Familienbesuche müssen zur Routine werden und der Weg dafür muss geebnet werden."