98 Jahre nach dem Vertrag von Lausanne

98 Jahre nach Unterzeichnung des Vertrags von Lausanne findet eine Demonstration unter dem Motto „Kurdistan gegen die türkische Besatzung verteidigen“ in der Schweiz statt. Der kurdische Verband CDK-S lädt zur Teilnahme ein.

Am 24. Juli 1923 wurde der Vertrag von Lausanne zwischen der Türkei sowie Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Griechenland, Rumänien und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen geschlossen. Mit dem Abkommen wurden die heutigen Staatsgrenzen der Türkei und damit die Teilung Kurdistans festgelegt. Der größte kurdische Dachverband in der Schweiz, CDK-S, ruft zum Jahrestag des Vertrags zu einer Demonstration in Lausanne auf. „Kurdistan gegen die türkische Besatzung verteidigen“ lautet die Devise der Demonstration am Samstag, mit der für eine innerkurdische Einheit gegen die NATO-gestützten Angriffe des türkischen Staates geworben wird. Unter diesem Motto hat bereits vor knapp zwei Wochen ein dreitägiger Marsch der Initiative „Defend Kurdistan“ von Lausanne nach Genf stattgefunden.

Der CDK-S macht in seinem in seinem Aufruf auf die weltweiten Auswirkungen der kapitalistischen Moderne aufmerksam und erklärt: „Das unersättliche kapitalistische System macht unsere Welt mit seiner extremen Gier zu einem lebensfeindlichen Ort. Krankheiten, Naturkatastrophen und Kriege und die daraus hervorgehenden Toten und Fluchtbewegungen sind die Auswirkungen der Degeneration eines Systems, das keine ethischen Grenzen kennt und das Leben und die Natur missachtet.

In Westeuropa, vor allem in Deutschland und Belgien, sind Hunderte Menschen bei der Flutkatastrophe ums Leben gekommen, immer noch werden Menschen vermisst. An anderen Orten der Welt wird das Leben durch Trockenheit und extreme Hitze unerträglich.

Wie die globale Klimaveränderung werden auch Kriege und die dadurch verursachten Fluchtbewegungen vom kapitalistischen System und seinen Protagonisten als politisches Druckmittel benutzt. Menschen und andere Lebewesen, denen kein Lebensraum mehr bleibt, erleben die zweite ,Völkerwanderung' der Geschichte. Während sie sich Tausende Kilometer entfernt von ihren Geburtsorten in Richtung neuer Hoffnung bewegen und dabei jeder Form unmenschlicher Behandlung ausgesetzt sind, betrachten Länder wie die Türkei diese Situation als Gelegenheit, um mit Menschenhandel Geld zu verdienen und die Weltpolitik mit der ,Flüchtlingskarte' unter Druck zu setzen.

Als uraltes Volk im Mittleren Osten wissen die Kurd:innen genau, was Krieg und Flucht bedeuten. Mit der Vierteilung ihres Landes durch den vor einem Jahrhundert geschlossenen Vertrag von Lausanne sind sie etliche Male vertrieben worden. Sie haben die Grausamkeit des kapitalistischen Systems und der von ihm erschaffenen ,Nationalstaaten' erleben müssen. Die Kurd:innen haben keinen Status und können ihre natürlichen Rechte nicht geltend machen. Deshalb leben sie weltweit verstreut als ,Flüchtlinge'. Darüber hinaus haben sie in ihren eigenen Ländern nicht einmal einen Flüchtlingsstatus.

Mit dem Lausanner Vertrag sind die Grundlagen dafür gelegt worden, dass ein Volk komplett missachtet und seine Existenz verleugnet wird. Das Abkommen legt eine dauerhafte Teilung Kurdistans fest. 98 Jahre nach Vertragsabschluss droht den Kurd:innen der Verlust ihrer mit großem Einsatz und hohen Opfern erkämpften Errungenschaften. Sie sind der grausamen Aggression der herrschenden Nationalstaaten ausgesetzt und werden von den internationalen Hegemonialmächten als Verhandlungsmasse benutzt. Durch den internen Verrat stehen sie kurz vor einer dauerhaften Niederlage. Dennoch fordern sie unermüdlich ihre Rechte ein, die ihnen in Lausanne genommen worden sind.

Mit der von Abdullah Öcalan vorgelegten Perspektive einer demokratischen Nation und des demokratischen Konföderalismus zeigen die Kurd:innen, dass eine andere Welt möglich ist. Fast ein Jahrhundert nach der Unterzeichnung des Vertrags von Lausanne machen sie deutlich, dass sie dieses Abkommen niemals akzeptiert haben und das auch nie tun werden.

Zu diesem Anlass werden wir als in der Diaspora lebende Kurdinnen und Kurden am 24. Juli um 15 Uhr auf der Place de la Riponne eine Protestaktion durchführen. Dazu laden wir alle im Exil lebenden Menschen aus den vier Teilen Kurdistans sowie unsere Freundinnen und Freunde ein.“