Pressekonferenz im Europarat zur Situation von Öcalan

Der Istanbuler Rechtsanwalt Ibrahim Bilmez hat auf einer Pressekonferenz im Europarat über die Situation politischer Gefangener in türkischen Haftanstalten und die rechtswidrige Incommunicado-Haft seiner Mandanten im Inselgefängnis Imrali informiert.

Incommunicado-Haft

Delegierte der DEM-Partei und des Anwaltsteams von Abdullah Öcalan halten sich seit Anfang der Woche in Straßburg auf, um im Europarat Gespräche über die Menschenrechtslage in der Türkei zu führen. Rechtsanwalt Ibrahim Bilmez von der Istanbuler Kanzlei Asrin informierte auf einer Pressekonferenz im Europarat über die Situation politischer Gefangener in türkischen Haftanstalten. Die Pressekonferenz wurde von Dr. Sarah Glynn moderiert, als Redner:innen nahmen neben Bilmez auch Dr. Deepa Govindarajan Driver aus London und der DEM-Abgeordnete Berdan Öztürk teil.


Ibrahim Bilmez erklärte, dass die Gefängnisse in der Türkei wie eine blutende Wunde seien und der in rechtlicher und politischer Hinsicht problematischste Ort die Gefängnisinsel Imrali sei, auf der seine Mandanten Abdullah Öcalan, Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş ohne Kontakt zur Außenwelt abgeschottet werden. Dem Europarat gehörten auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und das Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) an, betonte der Rechtsanwalt:

„Wir befinden uns also in einer Institution, die wir als Hüterin der allgemeinen Rechtsgrundsätze und der Menschenrechte bezeichnen können. Es handelt sich um eine Institution, deren Mitgliedstaaten die Menschenrechtskonvention unterzeichnet haben. Stellen Sie sich doch einmal vor, dass es in einem dieser Staaten, zum Beispiel in Straßburg, Paris oder München, ein Gefängnis gibt, das seit 43 Monaten niemand betreten hat und niemand irgendeine Nachricht von den vier Gefangenen dort bekommen kann. Weder Anwälte, Familienangehörige, Politiker noch Organisationen der Zivilgesellschaft können dorthin gehen. Es gibt keine Möglichkeit der telefonischen Kontaktaufnahme. Wir schreiben Briefe, aber wir erhalten keine Antwort.

Das CPT beschreibt dies als Incommunicado-Haft. Diese Situation ist eine Art faktisches Verschwindenlassen. Einer unserer Ansprechpartner in dieser Angelegenheit ist das CPT, denn die Isolationsbedingungen auf Imrali bedeuten Folter. Das CPT war viele Male in dem Inselgefängnis, aber der letzte Besuch ist zwei Jahre her. Und trotz unseres Drängens hat es seinen Bericht über diesen Besuch noch nicht veröffentlicht. Sie sagen, dass sie dafür die Zustimmung der Türkei brauchen, das sei eine Verfahrensfrage. Aber ich habe soeben die Situation auf Imrali erläutert; es gibt keine Informationen. Unserer Meinung nach ist das Warten auf die Zustimmung der Türkei ein Luxus. Denn trotz aller Berichte und Empfehlungen des CPT in den letzten 24 Jahren hat die Türkei keine Verbesserungen vorgenommen. Sie weigert sich beharrlich, ihren Teil zu tun.

Es gibt auch den Aspekt der verschärften lebenslangen Freiheitsstrafe. Eine solche Strafe gab es in der Türkei nicht. Herr Öcalan wurde vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Aber die Türkei hat die Todesstrafe abgeschafft, um nicht vor dem EGMR angeklagt zu werden. Alle Rechtsexperten stimmen mit unserer Auffassung überein, dass die verschärfte lebenslange Freiheitsstrafe eine todesähnliche Strafe ist. Es handelt sich um eine Todesstrafe, die über einen längeren Zeitraum vollstreckt wird. Die zu dieser Strafe Verurteilten haben keine Möglichkeit oder Hoffnung, auf irgendeine Weise entlassen zu werden. Darauf wurde abgezielt, als Herr Öcalan diese Strafe auferlegt wurde. ,Wir werden ihn langsam töten', wurde gesagt. Diese Angelegenheit betrifft nicht mehr nur Herrn Öcalan. Heute sind Tausende Menschen zu dieser Strafe verurteilt worden. Obwohl das Ministerkomitee des Europarats darum gebeten hat, nennt die Türkei nicht einmal die Anzahl dieser Verurteilungen.

Ich möchte ein Beispiel anführen, das den Ernst der Lage verdeutlicht. Wir hatten vor zwei Tagen ein Gespräch mit dem CPT. Ich habe dort gesagt, dass es in der Türkei einen Gefangenen namens Abdulkadir Kuday gibt. Er wurde zu einer verschärften lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Er war so schwer krank, dass er bettlägerig war. Er konnte nicht mehr aufstehen und kam auf einer Bahre zu seinem Anwaltstermin. In der Türkei stellt das gerichtsmedizinische Institut normalerweise nicht ohne Weiteres ein Gutachten für kranke Gefangene aus, in dem ihre Haftunfähigkeit festgestellt wird. Da er jedoch zu einer verschärften lebenslänglichen Strafe verurteilt worden ist, wurde er nicht entlassen. Sie konnten ihn nicht entlassen, selbst wenn sie es wollten, das ist gesetzlich festgelegt. Das haben wir auch dem CPT mitgeteilt. Und leider haben wir am nächsten Morgen erfahren, dass Abdulkadir Kuday verstorben ist.“

„Recht auf Hoffnung“

Bilmez sagte, der EGMR habe bereits 2014 festgestellt, dass die Türkei mit der Verhängung einer nicht reduzierbaren lebenslangen Freiheitsstrafe gegen Abdullah Öcalan und weitere Gefangene gegen das Verbot einer unmenschlichen und erniedrigen Behandlung und damit gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen hat. Laut dem EGMR müssen lebenslänglich Verurteilte zumindest Aussicht auf eine vorzeitige Haftentlassung haben, das sogenannte „Recht auf Hoffnung“. Das Ministerkomitee des Europarats hat der Türkei im September ein weiteres Jahr Zeit gegeben, verpflichtende Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs in Sachen Abdullah Öcalan und anderer Gefangener umzusetzen.

Die Isolation von Abdullah Öcalan habe auch eine politische Dimension und bedeute, dass die kurdische Frage ungelöst bleibe und eine Demokratisierung der Türkei verhindert werde, betonte Ibrahim Bilmez.