In der kurdischen Befreiungsbewegung gilt der Mai als Monat der Gefallenen. Beim Gründungsparteitag am 27. November 1978 in Fîs in Amed (Diyarbakir) rief die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) den Mai zum „Gefallenenmonat” und den 18. Mai zum „Tag der Gefallenen“ aus, da viele Kader der ersten Stunde sowie führende Revolutionäre der linken Bewegungen in der Türkei im Mai ihr Leben verloren haben. Das Exekutivkomitee der PKK erklärt aus diesem Anlass, dass man die Gegenwart nur leben kann, wenn man die Vergangenheit richtig versteht.
„Vor 44 Jahren, am 18. Mai 1977, haben wir den großen Revolutionär Haki Karer bei einem geplanten Anschlag in Dîlok [tr. Antep] verloren. Dieser Vorfall hat eine neue Widerstandsphase in der Geschichte Kurdistans ausgelöst“, heißt es in der Erklärung der PKK. Jeder Widerstand bedeute, sich für das Gedenken an die Gefallenen einzusetzen. Da es bei allen Kämpfen weitere Gefallene gebe, sei eine „Armee der Gefallenen“ entstanden.
Der Internationalist Haki Karer und die anderen Gefallenen
„Als Bewegung und als Volk erleben wir den Tag und den Monat der Gefallenen zum 44. Mal. Wir möchten vor allem Rêber Apo [Abdullah Öcalan] und die opferbereite Guerilla grüßen, die auf der Linie der Gefallenen einen mutigen Widerstand leisten, und unsere Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass dieser Kampf zum Erfolg führen wird. Mit Respekt, Liebe und Dankbarkeit gedenken wir dem großen internationalistischen Revolutionär Haki Karer und allen Gefallenen“, so die PKK.
Der 18. Mai ist gleichzeitig der Todestag des türkischen Revolutionärs Ibrahim Kaypakkaya, der 1973 im Gefängnis von Amed (Diyarbakir) zu Tode gefoltert wurde. Am 6. Mai 1972 wurden Deniz Gezmiş, Yusuf Aslan und Hüseyin Inan hingerichtet, am 31. Mai 1972 sind Sinan Cemgil und seine Weggefährten gefallen. In der Türkei und in Kurdistan sei in dieser Zeit ein neuer revolutionärer Aufbruch entstanden und der Befreiungskampf der PKK dauere nunmehr seit fast einem halben Jahrhundert an, so die PKK. Der revolutionäre Funke sei nach dem Militärputsch vom 12. März 1971 entfacht und unter der Führung von Abdullah Öcalan in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre in eine revolutionäre Bewegung umgewandelt worden. Die Reihe der Gefallenen sei am 19. Mai 1978 mit dem Tod von Halil Çavgun in Curnê Reş (Hilvan) fortgesetzt worden. Abdulkadir Çubukçu ist am 1. Mai 1982 in Beirut gefallen, Ferhat Kurtay und seine Weggefährten am 17. Mai 1982 im Gefängnis von Amed, Mehmet Karasungur und Ibrahim Bilgin am 2. Mai 1983 in Qendîl. Weitere Mai-Gefallene sind Ramazan Kaplan, M. Emin Aslan und Hozan Mizgîn. Am 16. Mai 1997 fand das Massaker in Hewlêr statt und am 27. Mai 2020 ist Kasım Engin gefallen. Die PKK gedenkt allen im Mai gefallenen Revolutionärinnen und Revolutionären.
„Um die Gegenwart richtig zu verstehen und erfolgreich leben zu können, müssen die Gefallenen von vor 44 Jahren, vor 48 bis 50 Jahren und von heute richtig und ausreichend verstanden werden. Man muss sich bewusst machen, wie diese revolutionären Führungspersonen es verstanden haben, sich in der Finsternis eines neuen Zeitabschnitts in Bewegung zu setzen. Sie haben den Weg freigemacht, Schwierigkeiten bewältigt, Hindernisse überwunden und uns ein historisches Erbe hinterlassen. Als Völker Kurdistans und der Türkei und als revolutionär-demokratische Kräfte sind wir im Besitz eines solchen historischen Erbes und wir kämpfen und siegen auf dieser Grundlage“, erklärt die PKK.
Massiver Spezialkriegsangriff auf allen Gebieten
Zur aktuellen Situation heißt es in der Erklärung: „Die auf Kolonialismus und Völkermord basierende Mentalität und Politik konkretisieren sich im Faschismus der AKP und MHP, die auch heute noch unter Aufwendung aller Kraft einen massiven Spezialkriegsangriff auf allen Gebieten durchführen. Diese Angriffe konzentrieren sich am meisten auf Rêber Apo und auf dieser Basis wird das Folter- und Isolationssystem auf Imrali kontinuierlich verschärft. Auch der Besatzungsangriff auf die Medya-Verteidigungsgebiete und hier insbesondere auf Metîna, Zap und Avaşîn dauert weiter an. Überall in Kurdistan werden die Freiheitskämpfer:innen angegriffen. Damit soll die Guerilla vernichtet und auf dieser Basis die Führung unserer Partei geschwächt werden. In allen vier Teilen Kurdistans und im Ausland wird auch gegen unser patriotisches Volk und unsere demokratischen Freund:innen im Rahmen des Spezialkriegs ein härterer Angriff denn je geführt. Um den kurdischen Völkermord noch bequemer und schneller umsetzen zu können, soll unsere Befreiungsbewegung geschwächt werden. Das wird von gewissen Kreisen unterstützt, die sich bei ausländischen Mächten anbiedern. In den Medya-Verteidigungsgebieten und in Rojava werden IS-Dschihadisten und andere faschistische Banden positioniert. Es wird hier ein Gebiet der Banden installiert, das die Menschheit bedroht.
Strategie des revolutionären Volkskriegs
Zweifellos ist das Ziel der faschistischen AKP/MHP-Diktatur, einen Genozid an den Kurd:innen zu verüben und Kurdistan aus der Geschichte zu löschen. Aus diesem Grund leisten wir als kurdisches Volk einschließlich Rêber Apo, der PKK und der Guerilla sowie der Frauen- und Jugendbewegungen und als revolutionär-demokratische Kräfte Widerstand auf Basis der Strategie eines revolutionären Volkskrieges. Widerstand und Kampf sind unsere ideologische, politische und militärische Haltung. Eine andere Haltung ist angesichts der faschistischen, kolonialistischen und auf einen Völkermord abzielenden Angriffe gar nicht möglich. So wie wir bisher für die Freiheit des kurdischen Volkes und die Befreiung Kurdistans gekämpft haben, werden wir auch künftig unseren Widerstand fortsetzen. Wir sind davon überzeugt, dass wir auch weiterhin gewinnen werden.
„Was wir wollen“
Auf dieser Grundlage haben wir Frauen, die Jugend, alle Kurdinnen und Kurden, die Völker der Türkei und die demokratischen Kräfte im Mittleren Osten und weltweit zur Teilnahme und Unterstützung unseres Kampfes aufgerufen. Wir wollten Kurdistan mit allen Kurdinnen und Kurden zusammen gegen die kolonialistische Aggression verteidigen und gemeinsam ein freies und demokratisches Leben in Kurdistan begründen. Wir wollten den Faschismus gemeinsam zerschlagen und eine demokratische Türkei aufbauen. Und wir wollten mit allen Völkern gemeinsam, insbesondere mit dem kurdischen und palästinensischen Volk, einen demokratischen Mittleren Osten formen.
„Lasst uns den Zusammenbruch des Faschismus beschleunigen“
Zweifellos hat dieser Aufruf weiterhin Gültigkeit. Wir appellieren insbesondere an unser patriotisches Volk und die Völker der Türkei, den im Absturz befindlichen Faschismus der AKP und MHP überall noch effektiver zu bekämpfen. Unsere mutige Guerilla rufen wir auf, noch wirkungsvoller, kreativer, meisterhafter, geplanter und organisierter gegen den Feind zu kämpfen. Die faschistische Mentalität und Politik bricht zusammen, lasst uns diesen Zusammenbruch beschleunigen. An alle Kräfte, die gegen den Feind Widerstand leisten müssten und das nicht können, appellieren wir, falls möglich etwas mutiger und opferbereiter zu sein, und falls das nicht möglich ist, dem Feind wenigstens nicht zu dienen. Alle äußeren Kräfte, die den türkischen Staat unterstützen, fordern wir auf, wenigstens etwas konsequenter zu sein und nicht als Partner der Verbrechen des türkischen Staates zu fungieren.
Unabhängig von dem, was andere tun, haben wir unseren Weg festgelegt und werden diesen richtigen Weg weiter verfolgen. Wir werden die Isolation durchbrechen, den Faschismus zerschlagen und die Besatzung beenden. Wir werden unsere Offensive ,Zeit für Freiheit', die auf die physische Freiheit von Abdullah Öcalan abzielt, überall weiter ausbauen. Wir werden vor allem als Frauen und Jugend noch stärker kämpfen und noch mehr gewinnen. Auf dieser Grundlage werden wir die Ziele unserer heldenhaften Gefallenen unter allen Umständen verwirklichen.“