Die vier politischen Gefangenen auf Imrali haben am zweiten Ramadan-Feiertag Besuch von ihren Familienangehörigen bekommen. Neben dem PKK-Gründer Abdullah Öcalan sind Hamili Yıldırım, Veysi Aktaş und Ömer Hayri Konar auf der Gefängnisinsel im Marmara-Meer inhaftiert. Bis 2015 war Öcalan der einzige Häftling in dem Hochsicherheitsgefängnis, im Zuge der damaligen Friedensverhandlungen sind Yıldırım, Aktaş und Konar aus anderen Gefängnissen zur Unterstützung Öcalans nach Imrali verlegt worden. Da kurze Zeit später der Friedensprozess von der türkischen Regierung abgebrochen wurde, befanden sie sich zusammen mit Öcalan in totaler Isolation. Ömer Hayri Konar und Veysi Aktaş haben ihre Angehörigen seit dem 15 März 2015 nicht mehr gesehen, Hamili Yıldırım konnte seine Familie zuletzt am 15. Juli 2015 sprechen.
Sabiha Aslan ist die Schwester von Veysi Aktaş und hat ihn gestern besuchen können. Gegenüber der Nachrichtenagentur MA äußerte sie sich zu dem ersten Zusammentreffen nach vier Jahren mit ihrem Bruder.
„Wir sind auf dem Hinweg sechs oder sieben Mal durchsucht worden. Dann kam der Rückweg, insgesamt sind wir zwölf oder 13 Mal durchgecheckt worden. Es fanden körperliche Durchsuchungen statt, wir mussten mehrmals Unterschriften leisten und unsere Schuhe ausziehen“, berichtete sie über den Weg zur Gefängnisinsel. Die Besuche fanden in unterschiedlichen Räumen getrennt voneinander statt. Außer ihrem Bruder konnte Sabiha Aslan keinen der anderen Gefangenen sehen. Ungefähr eine Stunde lang konnten sich die Geschwister unterhalten. Ihr Bruder sei lächelnd in den Raum gekommen, erzählt Sabiha Aslan: „Ich habe ihn umarmt. Ich wusste nicht, was ich tun soll. Ich habe ihn ständig geküsst, seine Hände, sein Gesicht. Es war ein sehr merkwürdiges Gefühl. Auch zum Abschied habe ich ihn umarmt.“
Mit ihrem Bruder hat sie vor allem über die Familie gesprochen. „Wir haben uns vier Jahre nicht sehen können. Er fragte als erstes, wer aus der Familie noch lebt und wer gestorben ist. Vier Jahre sind keine kurze Zeit. Ich sagte ihm, dass unsere Großmutter gestorben ist. Er fragte: ‚Wann war das? Vor Jahren oder vor Monaten?‘“
Sabiha Aslan sagt, dass sie vor Aufregung über den ersten Besuch auf der Gefängnisinsel nicht gewusst habe, worüber sie sprechen und was sie fragen solle. Ihr Bruder hat ihr gesagt, dass es ungewiss ist, ob es zu weiteren Besuchen kommen wird. „Wenn ich ein weiteres Mal kommen kann, soll ich auch die Kinder mitbringen. Er hat gefragt, ob sie gewachsen sind. ‚Hättest du doch Sarya mitgebracht‘, hat er gesagt. Sarya ist meine Tochter. Ich wusste nicht, ob es erlaubt ist, deshalb habe ich die Kinder nicht mitgenommen.“
Ihr Bruder sei bei guter Gesundheit und Stimmung gewesen: „Die Luftfeuchtigkeit macht ihnen ein bisschen zu schaffen, aber andere Probleme hat er nicht genannt. Er hat zugenommen und das damit erklärt, dass er mit Rauchen aufgehört hat.“
Zuletzt sagt Sabiha Aslan: „Ich kann meine Gefühle nicht beschreiben. Es ist zugleich eine schwere Last und eine große Freude. Wenn ich einen Ausdruck für diese eine Stunde finden könnte, würde ein ganzes Buch daraus entstehen, aber ich kann es nicht ausdrücken. Der Eindruck ist immer noch da.“