„Nach der Dunkelheit kommt das Licht“

In Nürnberg und in Augsburg-Gablingen haben lokale Strukturen der Roten Hilfe zum 100. Tag der politischen Gefangenen Aktionen organisiert.

Zum 100. Tag der politischen Gefangenen haben lokale Strukturen der Roten Hilfe in Nürnberg und in Augsburg-Gablingen verschiedene Aktionen organisiert. In Nürnberg fand heute eine Kundgebung in der Innenstadt statt. Schon am Abend zuvor startete in Gablingen ein Demonstrationszug vom Bahnhof bis zur Justizvollzugsanstalt.

Dort war bis April vergangenen Jahres der kurdische Aktivist Yilmaz Acil inhaftiert. Er musste aufgrund von Verschleppung der Ermittlungen entlassen werden. Am OLG München findet derzeit sein Prozess statt. Seine „Nachfolge“ im Gablinger Gefängnis trat der Kurde Mirza B. an, der im Mai 2021 in Nürnberg unter der Anschuldigung einer PKK-Mitgliedschaft verhaftet wurde.

Das Nürnberger Medya Volkshaus, in dessen Räumen im Zuge der Festnahme von Mirza B. auch eine Razzia stattfand, bedankte sich in einem Grußwort für die Solidarität mit den Gefangenen und erinnerte zunächst an den jahrzehntelangen Gefängniswiderstand der Kurd:innen:

„Die Geschichte unserer Freiheitsbewegung war immer schon ein Kampf gegen Repression in und außerhalb der Gefängnismauern. An Newroz 1982 setzte Mazlum Doğan aus Protest gegen die Folter seine Zelle in Brand. Es war der Beginn des kurdischen Widerstands der Gefangenen in türkischen Kerkern, der bis heute andauert und sich im letzten Jahr dramatisch zugespitzt hat.

Erniedrigung, Entwürdigung, körperliche Gewaltanwendung, Isolation, Zensur und die Verweigerung von Besuchen sind in türkischen Gefängnissen an der Tagesordnung. Schwer Erkrankten wird medizinische Behandlung verweigert. Die Gefangenen sterben, und es wird von Selbstmord gesprochen. Beispielhaft weisen wir auf die kurdische Politikerin Aysel Tuğluk hin, die trotz ihrer schweren Erkrankung weiterhin in Haft bleibt.

Das Ziel des Staates ist die Erzwingung einer vollständigen Unterwerfung. ‚Reue‘ wird zur Vorbedingung einer Entlassung gemacht. Die Gefangenen haben keine anderen Mittel zum Kampf als ihre bloßen Körper und ihre Überzeugungen. Sie reagieren mit immer neuen Hungerstreiks.

Der Umgang mit politischen Gefangenen ist auch eine Botschaft des Staates an Oppositionelle außerhalb der Gefängnisse. Die kurdische Freiheitsbewegung ist sich dessen bewusst und reagiert mit entschlossenem Widerstand. Es gibt keine Trennung zwischen ‚drinnen‘ und ‚draußen‘. Der Kampf kann nur gemeinsam durch eine starke Organisierung geführt werden.“

Im zweiten Teil der Rede wurde die Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung in Deutschland angesprochen. Als ‚Mutter‘ der Repression gilt das Verbot der PKK vom Jahr 1993. Danach folgte die Ausweitung des „Terror-Paragraphen“ §§129 a/b StGB und die Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium, die jeweils nach den außenpolitischen Interessen der Bundesregierung erteilt wird.

Dazu das Medya Volkshaus: „Bestimmt nicht zufällig erfolgten die Festnahmen von Mirza B. in Nürnberg, Mazlum D. in Heilbronn und Abdullah Ö. in Esslingen direkt nach dem Deutschlandbesuch des türkischen Außenministers Anfang Mai 2021. Nach einer Videokonferenz mit dem damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer verkündete er: ‚Wir haben betont, wie wichtig der gemeinsame Kampf gegen die PKK ist.‘

Wir dagegen betonen, wie wichtig unser gemeinsamer Kampf gegen willkürliche Verhaftungen, Kriminalisierung und Einschüchterung ist. Wir wissen: Gemeint sind wir alle. Deshalb solidarisieren wir uns mit allen politischen Gefangenen, egal ob sie Jan¹ oder Mirza heißen. Als kurdische Freiheitsbewegung haben wir einen langen Atem und setzen unseren Widerstand und unsere Utopie gegen ihre Repression.“

Am Ende der Rede wurde Mirza B. zitiert, der aus seiner Zelle schreibt:

„Nach der Dunkelheit kommt das Licht. Eines Tages wird sich dieses Licht auf die ganze Menschheit ausbreiten. Sie mögen mir meine Zeit stehlen, aber ich werde nicht zulassen, dass sie etwas anderes von mir stehlen. Tausend Grüße an diejenigen, die für ein würdiges Leben in Freiheit kämpfen.“

Die Demonstration in Gablingen endete vor der JVA, einem grauen Betonbunker, dessen Architektur jeden schaudern lässt. Auch wenn Mirza B. die Rufe von draußen nicht hören konnte, spürte er mit Sicherheit die Solidarität der vielen Freunde und Freundinnen, die seine Freilassung forderten und klarmachten: Statt Stigmatisierung und Kriminalisierung brauche es die Aufhebung des Verbots kurdischer Organisationen sowie einen konstruktiven Dialog auf Augenhöhe. Immer wieder hallte die Forderung nach Freilassung aller politischen Gefangenen vor den Betonmauern.

An der Kundgebung in der Innenstadt von Nürnberg beteiligten sich etliche Gruppen und erinnerten an die zahllosen Gefangenen weltweit, die aufgrund ihrer politischen Gesinnung inhaftiert sind.


Der 18. März ist international bekannt als der „Tag der politischen Gefangenen“. An diesem Tag soll an den Aufstand der Pariser Kommune im Jahr 1871 erinnert werden, aber auch an ihre Zerschlagung und die folgende Repression. 1923 erklärte die Internationale Rote Hilfe den 18. März zum „Internationalen Tag der Hilfe für die politischen Gefangenen“. Nach dem Faschismus gab es erst wieder 1996, auf Initiative linker Gruppen und der Roten Hilfe, einen Aktionstag für die Freiheit der politischen Gefangenen. Seitdem finden jedes Jahr Veranstaltungen und Aktionen statt.

[1] Der Nürnberger Jan wurde wegen verbaler Attacken auf Polizeibeamte zu eineinhalb Jahre Haft verurteilt.