MHP-Chef fordert Schließung von türkischer Ärztekammer

Der Vorsitzende der rechtsextremen MHP, Devlet Bahçeli, fordert die Schließung der türkischen Ärztekammer. Der Verband sei „so gefährlich wie Corona“, Proteste gegen die Normalisierungspläne der Regierung seien ein „verräterischer Akt“.

Der MHP-Vorsitzende Devlet Bahçeli fordert die Schließung der türkischen Ärztekammer (TTB). Der Verband sei „so gefährlich wie Corona“, Proteste der Ärzteschaft gegen die Normalisierungspläne der Regierung kämen einem „verräterischen Akt“ gleich, schrieb der Chef rechtsextremen Koalitionspartners der AKP-Regierung im Kurznachrichtendienst Twitter. Zudem sollten die Verantwortlichen der Ärztekammer vor Gericht gestellt werden. In Online-Netzwerken weht seit Mittwoch ein Sturm der Empörung. Der große Teil der Nutzer*innen steht hinter dem Ärztebund.

Hintergrund der Drohungen gegen die Ärztekammer ist die Kampagne „Ihr seid nicht in der Lage, die Pandemie zu managen. Wir sind erschöpft und wir sterben“. Wegen der Überlastung des Gesundheitswesens und dem „Normalisierungsplan“ der Regierung hatte die Ärztekammer am Montag eine Aktionswoche eingeleitet, in deren Rahmen landesweit Demonstrationen und Kundgebungen stattfanden. Zudem wurden die Mitglieder aufgefordert, wegen der hohen Todeszahlen beim Gesundheitspersonal Schweigeminuten abzuhalten und schwarze Schleifen an der Kleidung zu tragen.

Die Ärztekammer kritisiert schon lange das „Krisenmanagement“ der Regierung und zweifelt die Daten des Gesundheitsministeriums zur Corona-Pandemie an. Die Regierung verheimliche das wirkliche Ausmaß, um zumindest in der Gesundheitspolitik Erfolgsgeschichte zu schreiben, heißt es immer wieder. In vielen Regionen zählt der Verband zudem viel mehr Corona-Fälle als das Ministerium zugibt. Vor wenigen Tagen warnte der frühere TTB-Vorsitzende Vedat Bulut davor, dass das Gesundheitssystem in der Türkei vor dem vollständigen Zusammenbruch stehe. Insbesondere in der Hauptstadt Ankara sei die Situation problematisch, es fehlten Betten und immer mehr Ärzte gäben ihren Job auf.

Türkeiweit sollen bisher über 900 Ärztinnen und Ärzte gekündigt haben. Zuvor hatte es großen Unmut im Gesundheitswesen aufgrund mangelnder Schutzmaßnahmen und der andauernden Relativierung der Corona-Gefahr gegeben. Insgesamt sind mindestens 30.000 Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesen der Türkei und Nordkurdistans mit dem Coronavirus infiziert worden, 80 von ihnen sind offiziellen Angaben nach daran verstorben.